18. Strophen

[105] Trauernde Wolken über dem Walde,

Graue Nebel auf dem See;

Sorglos an der grünen Halde

Weiden Lämmer, weiß wie Schnee.

Doch die blasse kleine Dame

Auf des Schlosses Söller dort

Trauert – und in tiefem Grame

Seufzt sie: Freund, wie lange bleibst du fort?


Drohende Wolken, zieht von hinnen!

Schwarze Nebel, habt Geduld!

Wenn der Liebe Thränen rinnen,

Sei der Himmel voller Huld.

Ach, die blasse kleine Dame

Seufzt um ihr bedrohtes Glück,

Und sie spricht in tiefem Grame:

Mein Gebieter, kehre bald zurück!
[106]

Weinende Wolken, ohne Gnade

Seid ihr für die Späherin.

Doch, gepeitscht vom Regenbade,

Eilt ein Reiter zu ihr hin,

Und, erlöst von allem Grame,

Drückt mit neuer Lebenslust

Seine Hand die kleine Dame

Weinend auf die kranke, kranke Brust.

Quelle:
Ludwig Ferdinand Schmid: Dranmor’s Gesammelte Dichtungen, Frauenfeld 41900, S. 105-107.
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