All ding hat sein zeit.

[351] Es ist kein instād / oder nichts bestendigs auff erden /sonder alle creatur vnd händel gehn auff oder ab /nichts bleibt in einem thůn vnd satz / vnd kan das glück vnd welt nit růhen / noch stillstehen einen augenblick / sonder wie ein ieder tag / also alle zeit / die Sonn auffsteigt vnd zůnimpt / vnd in eim augenblick /so sie auffs höchst kompt / sich abneyget / vnnd zum Nidergang sich lencket / Wann sie nicht fürsich gehet / so gehet sie hindersich / Wann der tag nicht zůnimpt / so nimpt er ab / Also alle creaturn / also der Herr aller creatur / das ist der mensch an geyst vnd fleysch / vnd ist nicht möglich daß er einn augenblick still stehe / sonder ist zuhandt desselbigen augenblick älter. Also daß nicht stets / bestendigs / langwirigs /ewigs auff erden ist / sonder alles zeitlich / das ist /der zeit vnderworffen / vnd ist allen dingen ein zeit vnd zil für gesteckt / vnd von Gott verordnet / wann es werden / wie lang / vnd wann es wider fallen sol /darüber wirt es keinn augenblick gehn oder stehn. Es gehet all tag in seiner ordnunng / wie es Gott / der allen creaturen / fewr / regen / schnee / wassern / Sonnen / Mon etc. ein zil hat gesteckt / wil haben.

Wie nicht bestendigs oder bleiblichs auff erden sei / sonder alles hinfellig / zeitlich / vergängklich[351] etc. leret die erfarung. Wo seind alle Könige vnnd menschen / biß auff dise vnsere welt? sie seind hin den weg alles fleysches. Mann sehe der welt lauff eben an / so erfinden sich die Sprichwörter / so die erfarung je einem nach dem andern in den mund gelegt hat /Nemlich / Alle ding ein weil. Es gehet vmb wie die wacht. Also wenden sich alle Reich / händel / völcker / geschlecht / stätt / wie die spher von einem wesen vnd ansehen zum andern. Troia / Niniue / waren etwa mächtige Königreich / Item Babylon / das vor allen großmechtige Königreich / Jetz sind sie also dahin /daß mann nit weyß wo die stätt gelegen sind.

Die völcker so etwan gantz Europe erschrecklich waren / vnnd für eitel teuffel wurden geacht / Als die Gothi / Cymbri / Hunni / etc. Dise seind ietz also veracht / daß mann jhr land vnnd namen nimmer weyß /wer oder wo dise völcker seind / vnd darfür Mahometis anhang / der Türck / auffgangen.


Also gehet auch das hertz vmb / wie die wacht /ietz hat diß volck / wie es Gott ordnet vnd bestimpt /sig vnd hertz / daß jm niemand widerstehn kan oder darff / vrsach / die wacht ist an jn / vnnd ietz jre stund vnnd zeit / daß sie Gott zu seiner růten brauchet / vor der sich auch ied'man bücken / ja alleyn auß jrem namē erschrecken můß / Wann aber jr zeit auß ist / dz sie außgedienet vrlaub haben / vnnd der musterherr im himel ein ander volck wil herfür brinhen / so vergehen sie wie der rawch / daß nicht überbleibt dann jr nam / vnnd etwa so ein liederlich volck / daß sich die nachkommenden wundern / daß jre vorfaren solch that haben thon / deren sie kaum gedencken dörfften.

Also gehet es auch mit den geschlechten vnn Adel inn landen zů. Ein geschlecht geht auff / das ander ab. Die etwan inn Stätten vnnd bei Keysern vornen dran waren / dero samen ist etwa dahin / vnd mit jn schilt vnd helm begraben / oder noch überig so veracht inn stätten / daß mann sie ehe für kirchen dann auffs Rathauß setzt. Dargegen andere gschlecht / dauon man vor wenig jaren nicht wußte / auff gangen / die sitzen im Regiment vnd regieren / So gar ist das glück sinwel.

Noch bei dem allem / daß wir sehen vnnd erfaren /daß nicht bestendigs noch stets hie ist / sonder dem gespöt des glücks all vnser hab / gůt / sig / ehr / vnd das gantz leben vnderworffen ist / noch sprich ich /hencken wir vns an diß elend / waltzend / hinfellig /creaturisch wesen vnd leben / vnd bestehn als butter an der sonnen / oder als einer der sich auff ein vmbwaltzend rad legt / vnd darauff wil růhen vnd still ligen. Nun laß gleich das glück gebaren / als wöll es ewig steiff bleiben / so laurt es also / vnd wil dich dester gefährlicher / in der sicherheyt stürtzen. Da kompt nun ein böß stündlin /[352] das nimpts alles weg /was vil jar gaben / brachten / lerten vnd theten. O gseli das stündlin bringt vnd thůt es alles. Ein stündlin wirt allen krieg scheyden / so wirt dir dann leyd daß du der zeit nicht war hast genommen / vnd der stund gewart / darinn du ietz übereilet nicht mehr kanst zuruck / sonder můst ietz auß dem strick rechenschafft geben / vnnd auffsagen was du all dein tag hast thon vnnd gelert. Hie ist die zeit der Bůß vnnd gnad / wandlet weil jr das liecht habt / daß euch die finsternuß nicht begreiffe / da niemand zuwandlen gebüren wirt / Laß dit nun alle zeit inn ohren klingen: Ein stündlin würdt mirs außmachen / das bin ich gewiß / vnnd nicht so vngewiß als wann diß stündlin sei / Ja keinn augenblick sicher. Selig ist nun der knecht / zu welcher zeit der Herr kompt / daß er jn wachend vnd schaffend finde.

So bringets nun das stündlin alles ann tag / gůtes vnnd böses / vnnd das lang verborgen. Daher würdt die warheyt ein tochter der zeit genennet / darumb daß mit der zeit alle warheyt nach entdeckter lug vnnd trug / ann tag kompt / Thůst du vnrecht? Ein stündlin würdt dirs außmachen / vnnd dein knecht sein. Handelst was recht ist / vnnd übest gericht vnnd gerechtigkeyt / ein stündlin würdt dir ewigen lohn drumb darreychen.

Weitter verzert die zeit alles. Die zeit verzert eisen vnd stahel. Die zeit fellt die heuser nider / vnnd ist so ein fressig ding vmb die zeit / daß dero nicht vorstehet. Zeit verändert vnnd frißt auch berg vnnd thal /trücknet das Meer / Ja wirt himel vnd erden mit fewr verzeren. Daher haben die Alten die zeit fressig geheyssen. Zeit bringt alle ding herfür. Wir sprechen: Die zeit sols leren / Mit der zeit sol mans innen werden.

Quelle:
Egenolff, Christian: Sprichwörter / Schöne / Weise Klugredenn. Darinnen Teutscher vnd anderer Spraach-en Höfflichkeit [...] In Etliche Tausent zusamen bracht, Frankfurt/Main 1552. [Nachdruck Berlin 1968], S. 351-353.
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