6. Der alte Held

[115] (Tafellied zu Goethes Geburtstag 1831)


»Ich habe gewagt und gesungen,

Da die Welt noch stumm lag und bleich,

Ich habe den Bann bezwungen,

Der die schöne Braut hielt umschlungen,

Ich habe erobert das Reich.


Ich habe geforscht und ergründet

Und tat es euch treulich kund:

Was das Leben dunkel verkündet,

Die Heilige Schrift, die entzündet

Der Herr in der Seelen Grund.


Wie rauschen nun Wälder und Quellen

Und singen vom ewigen Port:[115]

Schon seh ich Morgenrot schwellen,

Und ihr dort, ihr jungen Gesellen,

Fahrt immer immerfort!«


Und so, wenn es still geworden,

Schaut er vom Turm bei Nacht

Und segnet den Sängerorden,

Der an den blühenden Borden

Das schöne Reich bewacht.


Dort hat er nach Lust und Streiten

Das Panner aufgestellt,

Und die auf dem Strome der Zeiten

Am Felsen vorübergleiten,

Sie grüßen den alten Held.


Quelle:
Joseph von Eichendorff: Werke., Bd. 1, München 1970 ff., S. 115-116.
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