2. Szene

[260] Pluto erscheint unter Donnergetöse aus dem feurigen Tor.


PLUTO.

Halt' dein dreckig Lästermaul,

alter Höllenseelengaul,

wo ich just beschäftigt bin

mit der jüngsten Teufelin!

CHARON.

Schimpfen können solche Herrn,

zahlen nicht! Das hab' ich gern!

PLUTO.

Was ist los, mein Feuerkind,

kann nicht warten! Red' geschwind!

CHARON.

Nix ist los; drum will ich gehen.

PLUTO.

Nix? Wieso?

CHARON.

Du wirst verstehen,

daß ich armer alter Mann

von der Luft nicht leben kann.

PLUTO.

Und dein Geschäft?


CHARON.

Du hast leicht lachen,

frißt Pech und melkst deine Höllendrachen

und nudelst dazwischen zum Zeitvertreib

alle Tag' ein anderes Teufelsweib.

Indessen ich abgerackerter Lackl

das alte, zerlemperte Geisterschinakl

herüberbugsier' in den Höllenschlund

nach dem neuen Fahrplan zweimal in der Stund'.

PLUTO.

Na also!

Da blüht doch der Seelenverkehr![260]

CHARON.

A Schmarrn blüht! Ich fahr' ja doch alleweil leer!

Alle Wochen einmal eine magere Seel',

so ein ausgewerkeltes Lastergestell,

das sein Erdenleben bei Tag und bei Nacht

nur mit läßlichen Schlampereien verbracht.

Für'n Himmel zu schmutzig, für die Höll' zu minder.

Aber nie ein saftiger, rassiger Sünder,

so einer, der den alten Herrgott recht reizt,

daß denen im Himmel die Galle platzt.

Ein Kerl, der was tut und nicht allweil nur schwatzt,

so daß sich's lohnt, wenn man den großen Höllofen heizt.

Aber freilich: Dazu g'hört halt ein bißl Genie,

nicht nur Fressen und Saufen und Cochonerie,

wie sie's jetzt immer treiben da oben auf der Erd.

Nicht einmal zum Sündigen sind sie heut' mehr was wert.

Und zu allem kommt noch, Kreuz Pestilenz!

Die überirdische Konkurrenz:

Die wirtschaftet besser zu ihrem Segen,

da sind deine Teufel schon gar nichts dagegen,

ung'schickt in den Pratzen und fad im Maul

und im ganzen stinkfaul.

Erst gestern hab' ich so einer Höllenhaut

volle zwei Stunden zugeschaut:

Anstatt fleißig zu ärgern und zu verführen

tut er mit einem Pfarrer herumdisputieren,

als ob er ein Seminarzögling wär' –

am End' widerlegt ihn der geistliche Herr

und dein Teufel zieht manierlich und fein

nachdenklich voll Demut sein Schweiferl ein.

Also weißt du: Mit solchen Helden

soll ein anderer Seelen zuführen!

Ich geh' mich zum Petrus melden

und werd' es oben probieren.

Na ja: was ist schließlich besond'res dabei?

Ich bin ein Beamter ohne Partei

und um ein erträgliches Unterkommen

ist schon mancher von links nach rechts geschwommen

und wieder zurück

je nach Pech oder Glück.

Kurz: Wenn deine Teufel nicht gleich fleißig springen

und mir nicht schnell ein paar aus'gwachs'ne Sünder bringen,[261]

dann soll dir die paar armseligen Ludern

ein anderer Narr herüberrudern.

PLUTO.

Geh, Charon! Jetzt mach' du mir auch noch G'schichten!

Ihr werd's mich noch alle zugrunde richten!

Dann können wir glücklich droben auf Erden

Maschinführer oder Rußkehrer werden.

CHARON bockig.

Ein fetter Sünder – und ich will bleiben!

PLUTO.

Wo soll ich denn gleich so an Kerl auftreiben?

CHARON.

Frag deine Teufel!

PLUTO.

Ja, du hast recht,

zu was zahlt man denn eigentlich seine Knecht'!


Ruft in das Tor.


He! Fangteufel! Bagaschi!

Wer ist denn g'rad z' Haus?

Kommt's amal alle a bißl 'raus!


Quelle:
Bruno Ertler: Dramatische Werke. Wien 1957, S. 260-262.
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