2. Szene

[290] Die Königin – Faust.


FAUST kommt und bleibt stehen.

Vergebt mir, Fürstin! Hätte ich gewußt,

daß Ihr im Garten – – – –

KÖNIGIN.

Hat des Festes Lust

auch Euch nicht halten können? Seht, mich trieb

sie in die Einsamkeit. Doch wär' mir's lieb,

wenn Ihr, der stets der Mittelpunkt der Runde,

nur mir allein gehörtet eine Stunde.

FAUST beglückt.

Ach, Herrin! Nie ersehnte ich ein Glück

so heiß, wie dieses!

KÖNIGIN.

Aber keine Freuden

hab' ich mit Euch zu teilen. Mein Geschick

ist traurig, heißt mich Fest und Menschen meiden

und meinen Gram in stille Fernen tragen.

FAUST.

Wollt Ihr mir, Herrin, nicht ein Wörtchen sagen?

Ich knüpfe leicht mir dann den weitern Faden.

KÖNIGIN.

Ihr seid ein kluger Mann von vielen Graden,

habt wohl dem Leben auf den Grund gesehen

und werdet auch ein Frauenherz verstehen.

FAUST.

Ein Herz erfühlt man – doch versteht man's nicht,

weil es mit Blut, nicht mit Gedanken spricht.

KÖNIGIN.

So hört: Der König, dem ich jüngst vermählt,

will ohne Grund sich plötzlich von mir wenden.

Ein ungesagter Kummer frißt und quält

sein Herz. Könnt Ihr mir sagen, was ihn blenden

und wirren mag in also junger Ehe?

Ich gräme mich zu Tod, allein ich sehe

nicht Weg und Licht![290]

FAUST.

O Herrin! Königin!

Zerquält Euch nicht das allzu treue Herz!

Zu einfach scheint mir dieses Kummers Sinn:

Die junge Ehe ist ein Sturm im März,

der wolkig oft die Sonne überdacht,

nur daß sie nachher desto heller lacht.


Feurig.


Ihr seid so schön! Ein Bild aus lauter Licht!

Was Wunder, wenn es Euren Gatten bangt,

ob es am Ende einen andern nicht

in heißen Blutes Sturm nach Euch verlangt?

Ein Blick, ein Wort, ein Zufall schlimmen Scheines

formt Bild und Tat, die sonst kein Auge fand,

und was als Fünkchen glomm, als winzig kleines,

das lodert hoch als zehrend wilder Brand.

KÖNIGIN.

Ihr malt mit Worten, kühn und nie erhört,

dagegen stets sich alles mir empört.

Allein ich finde Grund und Anlaß nicht.

FAUST.

Gott schrieb die Unschuld Euch in's Angesicht!

Sah je mit solchem Blick ein reines Kind?

Wann hat ein Engel so wie du gesprochen?!

Wer dies nicht hört und sieht, ist taub und blind!

Weh' jedem, der ein treues Herz gebrochen!

Er schüttet Gift in edelsten Kristall

und trinkt daraus Verderben, Tod und Schuld – – – –

KÖNIGIN.

O, haltet ein! Wie jäher Wasser Fall

bestürmt mich Eurer Worte Ungeduld!

Schon dünkt's mich Sünde, weiter dich zu hören,

dich zu verlassen, schwindet mir die Kraft!

Erbarmt Euch meiner! Lasset Euch beschwören,

daß Ihr mir nichts als seine Liebe schafft!

FAUST.

Wär' mir die Macht gegeben,

ich tät' auch das zur Stund' –

und ging mein armes Leben

entsagend dran zugrund!

Denn lächelt wieder deiner Augen Sonne,

auch wenn ihr Strahlen gar nicht mir gehört,

wird meine Sehnsucht zur erfüllten Wonne![291]

Dich glücklich sehen, ist mein Leben wert.

Was meinen schwachen Kräften mag gelingen,

will ich in diesen Dienst gesammelt zwingen.


Er kniet vor ihr nieder und küßt ergeben ihre Hand und den Saum ihres Kleides.


Quelle:
Bruno Ertler: Dramatische Werke. Wien 1957, S. 290-292.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Hoffmann, E. T. A.

Klein Zaches

Klein Zaches

Nachdem im Reich die Aufklärung eingeführt wurde ist die Poesie verboten und die Feen sind des Landes verwiesen. Darum versteckt sich die Fee Rosabelverde in einem Damenstift. Als sie dem häßlichen, mißgestalteten Bauernkind Zaches über das Haar streicht verleiht sie ihm damit die Eigenschaft, stets für einen hübschen und klugen Menschen gehalten zu werden, dem die Taten, die seine Zeitgenossen in seiner Gegenwart vollbringen, als seine eigenen angerechnet werden.

88 Seiten, 4.20 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon