Erstes Kapitel.

[248] Dem Leser zur Letze.


Lieber Leser, nunmehr sind wir auf der letzten Station unsrer langen Reise angelangt. Da wir also so manche Blätter miteinander durchreiset haben, so laß uns es miteinander machen, wie die Reisegesellschafter in einer öffentlichen Landkutsche, die verschiedne Tage miteinander in Gesellschaft hingebracht haben, und welche, ungeachtet aller kleinen Hickhackereien oder kleinen Piken, welche auf dem Wege vorgefallen sein mögen, gewöhnlich am Ende alles gut sein lassen und zum letztenmal freundlich und munter wieder einsitzen, weil es, wenn wir noch diese eine Station zurückgelegt haben, mit uns ebenso gehen kann, wie mit jenen, daß wir uns einander nie wiedersehn.

Da ich einmal hier dieses Gleichnis angeführt habe, so erlaube man mir, daß ich es noch ein wenig weiter ausdehnen dürfe. Ich bin also in diesem letzten Buche gesonnen, die genannte wackere Gesellschaft auf ihrer letzten Station nachzuahmen. Nun ist aber wohl bekannt, daß zu der Zeit alles scherzen und necken unter ihnen beiseite gelegt wird. Was für einen Charakter auch irgend ein Passagier die Reise hindurch zum Spaß angenommen und vorgestellt hat, so legt er ihn ab, und das Gespräch pflegt gemeiniglich unverstellt und ernsthaft zu werden.

Auf eben die Weise, wenn wir uns hin und wieder, während dem Laufe dieses Werks, zur Unterhaltung einen kleinen Scherz erlaubt haben, so mache ich solchem hiermit ein Ende. In der That werden die gar häufigen Materien, welche ich genötigt sein werde, in diesem Buche zusammenzudrängen, keinen Raum für irgend eine von solchen scherzhaften Bemerkungen übrig lassen, deren ich wohl an einigen Stellen gemacht habe und welche dich, lieber Leser, vielleicht zuweilen abgehalten haben, in Schlummer zu verfallen, wenn dich grade eben die Schläfrigkeit überschleichen wollte. Du wirst von der Art nichts (oder doch nur sehr wenig) in diesem letzten Buche antreffen. Alles wird bloß in kunstlosen Erzählungen bestehn, und wirklich, wenn du die mancherlei großen Begebenheiten wirst gelesen haben, welche dieses Buch darstellt, so wirst du die Anzahl der Seiten welche es enthält, kaum zur Erzählung der Geschichte für hinreichend halten. Und somit mein Freund, nehme ich[248] diese Gelegenheit wahr, weil ich weiter keine haben werde, dir von Herzen alles Wohlergehn zu wünschen. Wenn ich dir ein unterhaltender Reisegefährte gewesen bin, so war es, wie ich dir versichre, grade das, was ich wünschte. Sollte ich dir irgend etwas zuwidergethan oder gesagt haben, so war es wirklich gegen meine Absicht. Vielleicht ist eins und das andere hier gesagt, was dich oder deine Freunde getroffen haben mag; aber ich versichre aufs feierlichste, ich habe auf keinen von euch gezielt. Ich zweifle nicht, man wird dir unter andern Geschichten von mir erzählt haben, daß du mit einem sehr stachligen Spottvogel reisen würdest; aber wer dir das auch gesagt hat, der hat mir unrecht gethan. Kein Mensch verabscheut und verachtet stachligen Spott mehr als ich, und kein Mensch hat dazu auch mehr Ursache, denn niemand ist davon ärger mißhandelt worden als ich; und besonders ist mein Schicksal darin hart, daß mir einige von solchen skurrilen Wischen grade von solchen Männern zugeschrieben worden sind, die mich, in andern von ihren Werken, auf die allerhämischte Weise heruntergerissen haben.

Unterdessen weiß ich es recht gut, daß alle jene Werke schon längst den Weg alles Fleisches gegangen sein werden, ehe du noch einmal diese Bogen zu lesen bekommen wirst. Denn so kurz auch immer das Leben meiner eignen Werke sein mag, so werden sie doch höchst wahrscheinlicherweise ihren kränkelnden Verfasser und die elenden Machwerke seiner hämischen Zeitgenossen überleben.

Quelle:
Fielding, Henry: Tom Jones oder die Geschichte eines Findelkindes. Stuttgart [1883], Band 3, S. 248-249.
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