Siebenter Brief
Wilhelmine an Julie

[18] Dulden! Herzchen, darüber habe ich bis zum Weinen gelacht. Allerdings werden sie es dulden! Duldeten es doch die amerikanischen Pflanzer, wenn man ihren Sclaven die Freuden der künftigen Welt recht anschaulich machte, und ihren elenden Zustand als ein Mittel zur höhern Bildung darstellte. Fahre nur so fort! und Du wirst bald eine zweite Elise werden.

Gott! ist es nicht himmelschreiend? daß selbst Weiber unsre Ketten erschweren! –[18] Kann man sich etwas abgeschmackteres und inkonsequenteres denken, als eben diese Elise wie sie seyn sollte? –

Trägt ihr Vermögen – was offenbar ihren unmündigen Kindern gehörte, und um so mehr für sie erhalten werden mußte, da ihr Herr Papa ein ausgemachter Taugenichts war – trägt es hin zu der Buhlerin eben dieses lieblichen Herrn.

Zwar bringt dieser Heroismus Fußfälle, Anbetungen und Versöhnungen hervor, und ist, in sofern diese Herrlichkeiten nicht anders zu bekommen waren, in dem Romane recht nützlich. Im wirklichen Leben aber mögte er wohl etwas ganz anderes, und höchst wahrscheinlich,[19] eine gänzliche Trennung hervorgebracht haben.

Freilich die gute Elise war nun einmal gewohnt, auf ihrem Kothurne im höchstmöglichen Pathos einherzuschreiten, und hatte das Glück von ihrer gutmüthigen Schöpferin bis an ihr pompeuses Ende darauf erhalten zu werden. Meinetwegen mag auch wer da will, ihre Stelzenschuhe erben! Nur meine Julie soll sie nicht tragen.

Soll nicht? – habe ich ihr denn zu befehlen? – O ja! ich habe ihr zu befehlen, daß sie sich nicht unglücklich machen soll – und wenn ich ihr das nicht mehr befehlen darf; so mag ich nicht mehr leben.[20]

Quelle:
Karoline Auguste Ferdinandine Fischer: Die Honigmonathe, Band 1, Posen und Leipzig 1802, S. 18-21.
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