Ein und funfzigster Brief
Wilhelmine an Reinhold

[192] Das habe ich nicht gewußt und – aufrichtig gesagt – das würde ich auf keinen Fall geglaubt haben. Sie selbst fodre ich auf; wenn Sie diese Briefe nicht empfangen hätten; würden sie geglaubt haben, der Obriste könne sie schreiben? –[192]

Aber was beweisen sie denn nun, diese Briefe? Daß er Julie begreift? Immerhin! aber denken Sie an mich! dieses Begreifen wird Julie doppelt elend machen.

Sich ganz zu ihr erheben; das vermag er nicht. Die Fieberhitze giebt ihm jetzt Kraft; aber diese Kraft wird mit dem Fieber verschwinden.

Könnte Julie immer so unabhängig, so entfernt von ihm bleiben; ich würde mich selbst zur Täuschung geneigt fühlen. Aber, geben sie Acht! Sie ist in seiner Gewalt, und bey dem besten Willen wird jede Täuschung unmöglich. Der Obriste muß in seinen eigentlichen Charakter zurückfallen. Dann wird er[193] seine Frau für eine Schwärmerin erklären, und diese Schwärmerey entweder verspotten, oder zu seiner Bequemlichkeit nutzen.

Auf diese Weise endigt denn noch alles so ziemlich erträglich. Aber wie? wenn er sich rächt für die Überlegenheit seiner Frau? – Haben sie auch daran gedacht? –[194]

Quelle:
Karoline Auguste Ferdinandine Fischer: Die Honigmonathe, Band 1, Posen und Leipzig 1802, S. 192-195.
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