Erster Brief
Olivier an Reinhold

[3] Wilhelmine hat Dir geschrieben, Du weißt alles. Ach! ich halte nicht mehr die Menschen, welche Götter zu seyn glaubten, für wahnsinnig. Ja! lache nur! ich, ich selbst, dünke mich ein Gott. Meine Wunden? – o die sind geheilt! vergessen! Ich lebe, lebe ein Leben, was nur ein Gott leben und begreifen kann.[3]

Siehe! ich darf sie halten, halten in meinen Armen! – darf mich berauschen in den himmlischen Zügen – darf sie mein nennen! – O Gott! wer hätte geglaubt, des Menschen Herz könne so viel Seeligkeit fassen! und darum sage ich Dir: ich bin ein Gott; ich kann alles was ich will.

Nein, es sind mehr als menschliche Kräfte, die mich beleben. Du hast es gehört, wir haben gesiegt; allenthalben gesiegt. Die Einnahme von B... war nur ein Vorspiel. Ich hatte ihr Wort, wußte, daß Sieg mich wieder zu ihr führte. – Wer konnte mich nun überwinden? –

Ach! bevor die Himmlische uns ergreift,[4] taumeln wir mit gefesselten Sinnen auf der herrlichen Erde; verstehen kein Rauschen des Waldes, kein Flöten der Nachtigall, sehen die Sonne steigen und sinken, und begreifen uns selbst nicht. Aber sie naht, und der Götterfunke hat gezündet. Lichtglanz ergießt sich über alles was uns umgiebt. Kein Stillstand, kein Tod mehr für uns. Wir können nur Leben begreifen, geben, und empfangen.

Gott sey gelobt! der Feldzug ist geendigt. Wir haben keine Feinde mehr; aber mögte die ganze Welt sie auch haben, ich kenne nur Freunde.

Verlange nicht, daß ich Dir beschreibe, aus einander setze. – Könnte ich es; so wäre[5] ich minder seelig. Wer kann das Unbeschreibliche beschreiben! –

Erräthst Du es nicht, nun, so lies es denn: Sie trägt schon meinen Nahmen. Er klingt anders seitdem; das behaupte ich, und Du selbst würdest es finden. Ich verführe die Leute, ihn so oft als möglich auszusprechen, und dann horche ich, und habe mein innigstes Wohlgefallen daran.

Ach sag was Du willst! lache wie Du willst! ich kehre mich nicht daran. Ich bin glücklich und seelig, und wenn Du mich sähest, würdest Du es auch seyn.[6]

Quelle:
Karoline Auguste Ferdinandine Fischer: Die Honigmonathe, Band 2, Posen und Leipzig 1802, S. 3-7.
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