Zwanzigster Brief
Olivier an Reinhold

[65] Er fängt an sich zu bessern, und der Arzt giebt Hoffnung. Was habe ich bey seinen Phantasien gelitten! – Er glaubte mit ihr vereinigt zu seyn, und schilderte seine Liebe unter glühenden Bildern. Aber dann war es, als ob er mich plötzlich erkannte, und eine gräßliche Vorstellung jagte die andre.[65]

Gestern lag er wieder in einem halbwachen Traume, erkannte mich; aber nicht wie vormals, mit Schrecken. Er hielt meine Hand, nannte mich wieder seinen Vater, erzählte mir von seiner unglücklichen Liebe, beschwor mich, Mitleiden mit ihm zu haben, ihm ihren Anblick nur ein einziges Mal zu vergönnen. Er wolle dann alles, alles thun, was ich von ihm verlange.

Und ich? – O frag mich nicht? ich bin ein unglücklicher Mann.[66]

Quelle:
Karoline Auguste Ferdinandine Fischer: Die Honigmonathe, Band 2, Posen und Leipzig 1802, S. 65-67.
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