Vier und funfzigster Brief
Julie an Wilhelmine

[196] O was habe ich gethan, daß ich so unglücklich bin! Ich glaubte mich zu retten; und bin trostloser als jemals. Wäre ich bey Dir meine Wilhelmine! wäre ich bey Dir! Ich fürchte meinen Mann. Wer rettet mich! Er ist es! er selbst! Antonelli! Ach das habe ich nicht gewußt! Daran habe ich nicht gedacht. Es hat mich tödtlich erschüttert.

Sehr, sehr hat er mich geliebt! und ich? – o ich entfliehe! Entdeckt ihn mein Mann; er ist verlohren! – Ich kann Dir nicht erzählen.[196] Dieser Brief – er kommt doch nicht in Deine Hände. Ich müßte ihn selbst bringen. Ich schreibe nur um mich zu fassen, um mir selbst deutlich zu machen, was ich denke.

Lange war ich so tödtlich betäubt, daß mir alles nur wie ein dunkler Traum erschien. Wie er da vor mich hinstürzte, die Kleider von sich riß, schwur: es solle ihn kein Wesen mehr von mir trennen, er kenne die Furcht nicht mehr, Allem sey er bereit zu widerstehen. O Gott! in seinen Armen war ich! an sein Herz hat er mich gedrückt! mein Mund brennt noch von seinen Küssen! – Ich bin verlohren! ich bin verlohren![197]

Quelle:
Karoline Auguste Ferdinandine Fischer: Die Honigmonathe, Band 2, Posen und Leipzig 1802, S. 196-198.
Lizenz:
Kategorien: