Zweytes Capitel.

Ich.

[4] Mein Vater war ein Krämer in einem kleinen Landstädtchen, und besaß das Geheimniß, aus einem Pfunde Kaffee oder Zucker zwey zu machen. Meine Aeltern waren daher in guten Umständen, und thaten auch ihr möglichstes, mich gut zu erziehen. Ich versprach ein bildschönes Mädchen zu werden, und lernte Clavier und Französisch mit vieler Leichtigkeit.

Gleichwohl war ich von Jugend auf wild und beherzt wie ein Knabe. Ich spielte am liebsten mit diesen und schlug mich tapfer mit ihnen herum. »S' ist eine wilde Hummel!« pflegte mein Pathe zu sagen – »Sie geräth[5] dem Vater nach« – fügte meine Mutter hinzu; aber sie hatten mich alle lieb.

So wuchs ich heran, und meine Aeltern stellten mich in den Laden. Die Herren Offiziers, die bey uns im Städtchen lagen, wurden das kaum gewahr, so strömten sie haufenweise herzu. Mein Vater hatte seine Freude darüber, und hieß mich nur die Lockmeise, und ich selbst hatte gar nichts dagegen.

Am meisten gefiel mir's, wenn sie mich lobten! – »Mein schönes Hannchen hinten! Mein schönes Hannchen vorne!« – Das kützelte mich allemal bis in die Fußzehe! Dabey gaben sie aber nicht auf die Waage Achtung; und ich zwackte daher zur großen Freude meines Vaters immer noch ein halbes Quentchen über das Gewöhnliche ab.

Einer der Herren wollte mich einmal küssen; weil er aber so kupfrig aussahe, verstand ich Unrecht und warf ihm den Oelstöpsel ins[6] Gesichte. Er wurde gewaltig böse und klagte es meinem Vater. – »Bis doch nicht so einfältig« – hieß es hernach beym Abendsegen. »Du kriegst ja keinen Bart davon.«

Ich probirte es noch denselben Abend mit Nachbars Gusteln und fand es bestätigt! – »Das ist ja eine charmante Sache« – sagte ich – »das bekommt einem ja ganz herrlich!« –

Quelle:
Christian Althing: Hannchens Hin- und Herzüge nebst der Geschichte dreyer Hochzeitsnächte. Leipzig 21807, S. 4-7.
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