Zwölftes Capitel.

Der Schwär.

[29] Der Wein war getrunken, und Lorchen sagte mir, was ich schon wußte. Ich küßte der gnädigen Frau ehrerbietig die Hand, und Lorchen drückte die meinige. Meine kleine Eitelkeit war vollkommen befriedigt. – »Du mußt doch recht hübsch aussehen!« – dachte ich, und warf mich in die Brust. Indessen kam der lahme Bediente, und meldete, daß angespannt sey.

Ich war wohl herzlich froh, fahren zu können, allein mein alter Freund erinnerte mich an seine Schmerzen. – »Was fehlt ihm denn, mein lieber Gustel?« – fragte mich Lorchen,[30] der ich meinen Namen gesagt hatte, als sie mich bey einer schmerzhaften Bewegung überraschte. – »Ich habe einen Blutschwär« – sagte ich – »und der thut mir ganz erschrecklich weh.« – Sie winkte mir mit der Hand und Kopf, und wendete sich zur gnädigen Frau, um leise mit ihr zu sprechen. –

»Nun so mag er sich hineinsetzen, der arme Schelm, und Miezchen auf den Schoos nehmen!« – Die gute alte Dame sagte das so laut, daß ich es hören konnte, und mein kranker Freund sich höchlich darüber erfreute.

Nachdem wir uns nun mit vieler Mühe in den Wagen gepackt hatten, weil die gnädige Frau erst alle ihre Mäntel und Pelze umnehmen mußte; so fand ich mich dem guten Lorchen gegenüber, und ihre Füße zwischen den meinigen.

»Sitzt er auch, mein lieber Gustel?« – fragte sie mich mit einem sehr freundlichen[31] Lächeln, und trat mich sanft auf den Fuß. – »Ach vortreflich, meine beste Mademoiselle!« – gab ich zur Antwort. – »Nun so nimm dich nur mit deinem Schwär in Acht« – sagte die gnädige Frau. »Auf den Abend kannst du dir Diachel-Pflaster darauf legen.« –

»Ach ja!« – sagte Lorchen – und wurde über und über roth. –

Quelle:
Christian Althing: Hannchens Hin- und Herzüge nebst der Geschichte dreyer Hochzeitsnächte. Leipzig 21807, S. 29-32.
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