Viertes Capitel.

Die Reitschule.

[62] »Nun Gustel!« – sagte der Junker, als wir auf die Wiese gekommen waren – »Nun will ich sehen, ob du reiten kannst.« – Ich zitterte am ganzen Leibe, denn ich war in meinem Leben noch auf kein Pferd gekommen.

»Nur Courage!« – fuhr er fort – »Ich will dirs halten! – Jemine wie stellst du dich an? – Ich glaube wahrhaftig, 's ist dein erstesmal.« – »Ja freilich,« sagte ich ängstlich, und sah ihn bittend von der Seite an. –

»Nun so komm her! Hier! – Hier setze den Fuß in den Bügel, die rechte Hand auf den Sattel, die Linke an die Zügel; die Trense[63] durch die Hand und die Stange zwischen die Finger. – Jetzt hebe dich! – Hops!« – Ich that es, und er setzte mir seine Hand zwischen die Beine. Aber die Empfindung war so sonderbar, daß ich die Zügel fahren ließ, und auf der andern Seite wieder herunter fiel.

»Ih Gustel!« – rief er, und lachte, als ob er närrisch geworden wäre – »Das war ja ein rechter Katzensprung! – Ey du bist ein gewaltiger Reiter, gerade wie der Hofmeimeister! Aber rasch, noch einmal! Du mußt Dich nur in Balance halten, du närrischer Junge du! Wer wird denn wieder herunter fallen!« –

Wollte ich wohl oder übel, ich mußte es noch einmal probiren. Zum Unglück waren meine Beinkleider geplatzet, und der Junker griff zu wie ein kleiner Teufel. Indessen hielt ich mich dasmal besser, und faßte glücklich Posto.[64]

»Recht so! das ist brav!« – sagte der Junker, und fing an mir die Schenkel und Beine einzurichten. Ach, er wußte nicht, daß diese Berührungen alle in meinem Herzen zusammentrafen! Jeder seiner Finger brennte wie Feuer auf meinen Gliedern, und alle meine Nerven geriethen unter seinen Händen in Aufruhr.

»Jetzt will ich das Pferd führen!« – sagte er – und die Bewegung ging an mir zu gefallen. – »Halte dich nur recht einwärts, und die Fußspitze in die Höhe!« – Ich sah ihn mit innigem Vergnügen an. – »Wenn du's halbweg kannst, dann wollen wir zusammen trottiren, 's soll eine Freude seyn.« –

Indem er jetzt das Pferd mit der Zunge aufmunterte, setzte sich dieses auf einmal in Trott, und ehe ich michs versahe, lag ich der Länge nach auf dem Rasen. Ich fühlte,[65] daß meine Hosen vollends von oben bis unten zerplatzten, aber hatte die Geistesgegenwart, meinen Ueberrock darüber zu halten.

Quelle:
Christian Althing: Hannchens Hin- und Herzüge nebst der Geschichte dreyer Hochzeitsnächte. Leipzig 21807, S. 62-66.
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