Neuntes Capitel.

Der Traum.

[78] Ich ging zu Bette, aber wie hätte ich schlafen können! alles an mir schien in Flammen zu stehen. Es war, als ob die Natur ihre letzte Entwickelung in mir vollendete, und ein Lichtstral meinen Schooß erhellete. Eine Menge dunkler Gefühle schienen allmählig in meinem Herzen aufzudämmern; sie versammelten sich alle um das entzückende Bild,[78] das ich gesehen hatte, sie schienen sich alle in den süßesten Punkt der schönsten Mannsgestalt zu vereinigen. Ich seufzte, und warf mich sehnsuchtsvoll auf meinem Lager herum; Thränen stürzten aus meinen Augen, und meine Arme streckten sich unwillkührlich nach einem Geliebten aus.

Ermattet schlief ich endlich ein; aber meine Seele wachte in Träumen fort. – Der Mond versilberte das ruhige Gebüsch, und ein milder Blüthenduft schien bey uns vorüber zu wallen. – Der Junker saß neben mir; seine schönen Glieder ruhten an den meinigen; alle seine Bedeckungen waren abgeworfen. Wir schwiegen, aber eine reizende Harmonie schien aus der Ferne zu tönen, und sich in dem sanften Rauschen des Stromes zu verlieren. Endlich war es, als ob sich meine Kleider lößten; vergebens wollte[79] ich sie festhalten, eine unsichtbare Kraft schien sie wegzublasen, und im Augenblicke saß ich völlig entkleidet da.

Er erkannte mich nicht; aber ich wagte ihn zu umarmen, meine Arme umschlossen ihn; und sein Herz klopfte heiß an dem meinigen. Wir sanken ins Gras, es war als kämpften wir scherzend zusammen; unsere Glieder verschlungen sich, ich fühlte seine glühenden Küsse. Eine erquickende Wärme schien von ihm auszufließen. Ich war wie von Licht umgossen, und athmete himmlisches Wohlgefühl. – In dem Augenblicke geschah ein Knall, ich erwachte und lag auf dem Boden des Zimmers.

Erröthend und dennoch entzückt, sprang ich wieder ins Bette, und fühlte mich so wohl, so stark, so neugebohren; ein Räthsel,[80] das ich mir erst lange nachher habe lösen können1.

Fußnoten

1 Um dieses zu verstehen, lese man, was die Bürgerin Roland von ihren Jugendträumen erzählt – Memoiren der Bürgerin Roland I. Theil. Ich besinne mich nicht auf die Seite, aber es ist im Anfange ihrer Jugendgeschichte.


Der Herausgeber.


Quelle:
Christian Althing: Hannchens Hin- und Herzüge nebst der Geschichte dreyer Hochzeitsnächte. Leipzig 21807.
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