Eilftes Capitel.

Der Tanz.

[83] Die gnädige Frau war mit dem Junker zu einer Hochzeit gefahren, und sie hatten niemand als Andres mitgenommen. Es schmerzte mich sehr, sie nicht begleiten zu können; aber es wäre unschicklich gewesen, mehr als einen Bedienten mitzubringen. Da das andere Gut eine Meile von dem unsrigen lag, so konnten sie erst den andern Tag zurückkommen; ich und Lorchen blieben daher mit einer alten Magd allein zu Hause.

Es war Sonntag, wir aßen zusammen, und sie überließ sich ihrer Zärtlichkeit ohne[84] Zurückhaltung. – »Du gehst doch mit nach N, – lieber Gustel?« – sagte sie. – Es war das nächste Dörfchen, etwa eine Viertelstunde von dem unsrigen, wo das Erndtefest gehalten wurde. – »Wir wollen uns einmal recht satt tanzen« – fuhr sie fort – »und es ist schöner Mondenschein.« – Ich versprach ihr alles, denn ich freute mich selbst auf den Tanz.

Da sie die Schlüssel zum Keller hatte, so ließen wir uns den Malaga vortrefflich schmecken. Sie hatte ihre Freude, mich essen und trinken zu sehen, und darin macht' ich meinen Kleidern Ehre. Wir scherzten und schäkerten bis drey Uhr, da sie anfing, sich anzuziehen, indeß ich mich auf das Bette warf, um ein wenig zu schlummern. –

»Nun kleiner Faulpelz?« – sagte sie – und weckte mich mit einem Kusse auf. Ich wollte aufstehen, aber sie fing mich an zu[85] kützeln. Sie war so ausgelassen lustig, daß ich sie nur mit Mühe abhalten konnte. In dem Augenblicke schlug es vier Uhr, wir machten uns schnell auf den Weg, und fanden den Ball in N– bereits eröffnet.

Ich ward bemerkt, und Lorchen ward entzückt darüber. Sie küßte mich mehrmal im Verstohlenen, und bewachte mich mit Argus-Augen. Ach! sie hatte nichts von mir zu befürchten; alle Mädchen, alle Bursche waren mir gleichgültig. Ich tanzte mit niemand als mit ihr; ich suchte mich selbst zu täuschen, und sah sie für den Junker an. Entzückter erwiederte ich ihre Liebkosungen, feuriger schloß ich sie in meine Arme. Wir flogen wonnetrunken im Walzer dahin, zwey liebende, zwey geliebte Seelen. Sie glaubte ihren August, ich meinen Adolph am Busen zu haben.[86]

Es war schon spät, als wir nach Hause gingen, beide glühend, beyde von Wonne und Liebe trunken, beyde in wollüstiger Ermüdung. Lorchen verließ mich mit einem Kusse, ich warf mich halb ausgezogen auf das Bette, und schlief in wenig Minuten ein.

Quelle:
Christian Althing: Hannchens Hin- und Herzüge nebst der Geschichte dreyer Hochzeitsnächte. Leipzig 21807, S. 83-87.
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