Zwölftes Capitel.

Wer soll denn kommen?

[87] »Gustel! Lieber Gustel!« – hörte ich auf einmal eine Stimme flüstern, schlug die Augen auf, und erkannte Lorchen. Der Mond schien durch die Fenster, sie war in einem Nachtkleide, ihr Busen erinnerte mich an den meinigen.[87]

»Was willst du, Lorchen?« – fragte ich erstaunt, und sie bog sich sanft über mich her. – »Ach Herzensgustel!« – sagte sie – »Mir ist so angst, ich weiß nicht, was über mir rasselt! Da bin ich zu dir gekommen!«

»Es werden wohl die Ratten auf dem Boden seyn!« – gab ich zur Antwort, und richtete mich auf. Sie rückte den Stuhl an das Bette, und setzte sich zu mir. Ihre rechte Hand sank auf die Bettdecke, und mit der andern ergriff sie die meinige.

»Ach Gott!« – fuhr sie fort – »mir ist so kurios, ich kann dir's gar nicht sagen! – Ich zittre am ganzen Leibe! – Fühle nur, wie mein Herz klopft!« – indem sie meine Hand an ihren Busen legte. –

»Aber du wirst dich erkälten, liebes Lorchen!« – sagte ich mitleidig – denn ich dachte an meine eigne Liebe. –[88]

»Du giebst mir ein bischen von deinem Bette!« – erwiderte sie mit einem zärtlichen Tone, beugte sich auf mein Kissen, drückte einen Kuß auf meine Achseln, und legte sich mit dem halben Leibe neben mich.

Ich wußte nicht, was ich sagen, noch was ich thun sollte. Sie dauerte mich, und am Ende konnte sie sich doch wirklich fürchten. Gleichwohl sagte mir mein Gefühl, daß ein Mädchen nicht zu einem Jungen ins Bette kommen müsse, und wenn es auch mit mir anders beschaffen war, so hatte ich doch immer Hosen an. Indessen ich so räsonnirte, fand sie für gut, ihre Beinchen auch unter die Decke zu bringen, und ehe ich michs versahe, schmiegte sie sich dicht an mich an.

»Aber liebes Lorchen!« – sagte ich, und küßte sie in meiner Verwirrung wieder – »Wenn nun jemand kommt?« –[89]

»Wer soll denn kommen?« – sagte sie – »es ist ja niemand zu Hause, und der Hofmeister liegt lange auf dem Ohre!« –

In dem Augenblicke hörte ich die Thüre aufmachen; eine Mannsgestalt trat herein – »Gustel! Gustel!« – Es war der Hofmeister.

Quelle:
Christian Althing: Hannchens Hin- und Herzüge nebst der Geschichte dreyer Hochzeitsnächte. Leipzig 21807, S. 87-90.
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