Sechstes Capitel.

Ach!

[140] »Was Teufel, was machst du denn bey dem alten Gescheuche?« – sagte der Junker, und wollte vor Lachen bersten. – »Du hast dich wohl gar in sie verliebt?« –

»In die?« – indem ich eine Mine machte, als ob ich Rhabarber eingenommen hätte.

»Nun, da hab ich mir etwas besseres ausgelesen« – fuhr er fort. – »O wenn du sie sehen solltest, es ist ein himmlisches Mädchen, Gustel!« –

Ich dachte in die Erde zu sinken. Aber die Neugierde überwand mein Schrecken, und[140] ich fragte ihn hastig: Wen denn, gnädiger Herr?

»Ach!« – fuhr er begeistert fort – »das schönste Mädchen in der Stadt, die Baronesse V. – Ich habe sie heute zum erstenmal gesehn, und mein Herz ist hin! Ja Gustel! Wenn du sie sehen solltest! Es ist eine göttliche Figur! Und ihr sanftes zärtliches Auge! Und ihr holdes bezauberndes Lächeln! als ich sie anredete. – Sie antwortete mir so freundlich. – O Gustel, wenn mich das Mädchen liebte – ich bin der glücklichste Mensch auf der Welt!«

»Und ich der unglücklichste« – sagte ich mit stiller Wehmuth zu mir selbst. – »Das ist ja vortrefflich!« – fuhr ich fort – »Das kann nicht fehlen! Der gnädige Junker sind ja so schön, so liebenswürdig!« – Ich sagte das aus der Fülle meines Herzens, und er mußte fühlen, daß es die Wahrheit war.[141]

»Siehst du, wenn das geschieht, lieber Gustel« – fuhr er fort – »so schenke ich dir zehn Thaler. – O Gott, wenn ich das Glück hätte! Wenn das himmlische Mädchen mein würde!« – Hier fing er eine italiänische Arie an, und ergriff meine beyden Hände – »Meinst du wirklich, Gustel, daß sie mich lieben könnte?« –

»Gewiß, gnädiger Herr! Wenn ich ein Mädchen wäre!« – indem ich über und über erröthete. – »Aber, wenn ich sie nur erst kenne, dann will ich« –

»Höre, Ja! – die Kammerjungfer! – Das wäre ein Einfall! Ich habe ja immer gehört, daß das Beste ist« –

»Aber wie bekomme ich sie denn zu sehen?« –

»Morgen fährt sie mit den Aeltern nach T. – das hat sie mir im Concert gesagt, und wir reiten nach.«[142]

»Schön!« – antwortete ich mit ersticktem Schmerze, kleidete ihn aus, und überließ ihn seinem Entzücken.

Quelle:
Christian Althing: Hannchens Hin- und Herzüge nebst der Geschichte dreyer Hochzeitsnächte. Leipzig 21807, S. 140-143.
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