Neuntes Capitel.

Das ist sie!

[149] Ich trat in den Saal; die Menge von Herren und Damen setzte mich in Verlegenheit,[149] und ich wurde über und über roth. Gleichwohl bemerkte ich, daß mich die nächsten mit Wohlgefallen betrachteten; ja ich hörte sogar, daß eine alte Dame sagte: – »ah mon Dieu! le beau garçon!« –

Ziemlich dreiste ging ich nun zum Tische, wo der Junker saß, und mein Auge fiel auf seine Nachbarin. – »Hast du nicht mein Etui bey dir?« – sagte er abgeredetermaßen, und winkte mir mit den Augen. Ach! er hatte das nicht nöthig. Ich hatte sie längst bemerkt, sie war wirklich so schön, als Ich, aber ihre Augen waren matter, und schienen eine sanfte Schwermuth zu verrathen. Sie sah mich an, und lächelte.

»Das ist sie!« dachte ich. – Ach die Glückliche! Hättest du ihre Kleider und ihren Reichthum, was würde dir fehlen! – Indessen fiel mir das Mädchen in der Stube ein. – »Gnädiger Herr!« – sagte ich –[150] »Wenn Sie erlauben« – er verstund mich, und ging ans Fenster.

»Nun? – nicht wahrt? das ist ein Engel?« – »O, zum Entzücken! – Aber hören Sie, gnädiger Herr! Es ist von Ihnen gesprochen worden.« –

»Wer? Wo? Wie weißt du das?« –

»Unten habe ich ein Mädchen kennen lernen, und da sind wir darauf gekommen.« –

»Nun was denn? Ist sie vielleicht aus dem Hause?« –

»Das will ich eben hören. – Aber sie will was haben; und ich habe nur einen Gulden!« –

»Da gieb ihr den Thaler, und mache daß du hinunter kommst? – Aber gieb ihn nicht eher, bis sie gesagt hat Wo? – Verstehst du, Gustel? Und laß dir nichts abgeben! Sie haben guten Kuchen! – Nun lauf!« –[151]

Ich eilte durch den Saal, und lachte innerlich über die gnädigen Blicke de schönen Damen. Als ich herunter kam, fand ich meine Nachbarin freundlicher als vorher.

Quelle:
Christian Althing: Hannchens Hin- und Herzüge nebst der Geschichte dreyer Hochzeitsnächte. Leipzig 21807, S. 149-152.
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