Achtzehntes Capitel.

Das Vogelbeinchen.

[180] Ich ließ mir das nicht zweymal sagen. – »Sie scheinen ein großer Freund von Vögeln zu seyn« – als sie mich so fleißig zulangen sah. –

»Ja wahrhaftig! Ich kann mich nicht satt daran essen!«

»Ey! Nun 's ist auch was Delikates.« –

»Das weiche zarte Fleisch! – 's ist ordentlich süße!« –

»Ja! Aber die Vögel müssen nur recht pflück seyn.« –

»Das ist wahr, wenn sie noch keine Federn haben, schmecken sie nach gar nichts.« –[181]

»Besonders die Sien!« –

»So? das habe ich noch nicht gewußt!« –

»Mit den Hähnen geht's noch immer an, denn die sind schon steifer, wenn sie auch noch klein sind.« –

»Das ist doch artig!« –

»Ja Sie könnens gleich an Ihrem Hähnchen sehen, sie haben alle einen größern Kopf. Was macht er denn?« –

»Er sitzt jetzt in der Mauser; ich habe ihm Möhrensaft gegeben.« –

»Nun, so langen Sie doch auch ein kleines Sardellchen zu« – fuhr sie fort, und die Gläser wurden fleißig geleert. Indessen sahe ich, daß ihr die Augen zufielen. – »Es wird mir so artig!« – sagte sie – »ich muß mich einen Augenblick aufs Bette legen. – Bleiben Sie nur immer sitzen, mein gutes Gustelchen!« –[182]

Sie ging in die Kammer, und ließ die Thüre offen, indeß ich bey meinen Geschäften blieb. Allein nach einer kleinen Pause hörte ich sie rufen. Ihre Stimme war schwach und zitternd; ich erschrack und flog zu ihr.

»Was wollen Sie denn, Mamsell Julchen? Fehlt Ihnen was?« –

»Ach Herr Gott!« – mit einem tiefen Seufzer – »Ich sterbe! – Ach Herr Jesus! das ist nicht auszuhalten.« –

»Aber was denn? Was thut Ihnen denn weh?«

»Ach das Vogelbeinchen! Ach Herr Jesus! Herr Jesus!« –

»Aber um Gotteswillen! wo steckts denn?«

»Ach mein englisches Gustelchen! Sehen Sie nur, ob Sie's finden können!«

»Aber liebe Mamsell Julchen! – Ich kann ja nicht dazu.« –[183]

»Probiren Sie's nur, es wird schon gehen.«

Quelle:
Christian Althing: Hannchens Hin- und Herzüge nebst der Geschichte dreyer Hochzeitsnächte. Leipzig 21807, S. 180-184.
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