Fünftes Kapitel.

Die Erklärung.

[11] Es war den andern Vormittag um eilf Uhr, und die Gräfin war mit ihrer Toilette beschäftigt, Solting trat herein, ihr seine Visite zu machen, und schien äußerst schwermüthig zu sein. Die Gräfin bemerkte es in ihrem Spiegel, und konnte sich nicht enthalten, ihn endlich darum zu fragen.

Aber was fehlt Ihnen, Herr Baron? Sie scheinen sehr traurig, zu sein![11]

Vielleicht, meine Gnädige! gab er mit einem Seufzer zur Antwort, und bemerkte mit Vergnügen, daß sie ihn beobachtete.

Die Gräfin: Sie seufzen? (lächelnd) Ich möchte beinahe ein anderes Vielleicht für die Ursache annehmen.

Der Baron: So hätten Sie ein Talent, mehr Geheimnisse zu errathen.

Die Gräfin (lächelnd): Der gestrige Ball – Aber es ist auch ein charmantes Mädchen!

Der Baron: Wie? – Wer? – Meine Gnädige?

Die Gräfin: Nun so verstellen Sie sich doch nicht!

Der Baron: Ich versichere Ihnen!

Die Gräfin: Was gilt die Wette? Der arme Solting ist verliebt!

Der Baron: Und wenn ich es wäre, meine Gnädige! Verdiente ich nicht Entschuldigung? – Wer kann so viel Reize –

Die Gräfin: Halt! Halt! Erst müssen wir uns über die Person verständigen. Hab ich's nicht getroffen? – Bekennen Sie.

Der Baron: Sehen Sie in Ihren Spiegel, meine Gnädige, und Sie werden die Antwort wissen.

Die Gräfin (erröthend und mit gezwungenem[12] Ernste): Ich verstehe Sie nicht, Herr Baron! und ich glaube, Ihnen einen Gefallen zu erzeigen, wenn ich Sie nicht verstehe.

Der Baron: Ach meine Gnädige! Verdiene ich soviel Härte? – Können diese himmlischen Reize –?

Die Gräfin (noch ernsthafter): Herr Baron! Sie werden – Es thut mir leid – Ich muß Sie bitten – Sie werden mich nöthigen – Sie schien so sehr beleidigt zu sein, daß Solting erschrack und blaß wurde.

Aber ich will es für Scherz aufnehmen, fuhr sie ein wenig freundlicher fort, als sie seine Verlegenheit bemerkte. Ich verzeihe Ihnen! – indem sie ihm die Hand reichte, die er ehrerbietig küßte. – Aber wenn Sie denn durchaus Ihr Herz beschäftigen wollen, ich will Ihnen einen Gegenstand vorschlagen, der Ihrer Liebe würdiger ist.

Der Baron: Ah le moyen! (mit dem heftigsten Ausdruck von Scham und Betrübniß):

Die Gräfin: Comment? Vous desperez?

Der Baron: Ach, wo soll ich den Muth hernehmen!

Die Gräfin: Der wird schon wiederkommen, n'ayez pas peur! Wollen Sie den Rath[13] einer Freundin annehmen, so will ich Ihnen eine Dame vorschlagen.

Der Baron: Quel exces de cruaute!

Die Gräfin (lächelnd): Sie sollen gewiß zufrieden sein, ich verspreche es Ihnen.

Quelle:
Christian Althing: Dosenstücke, Rom; Paris; London [o.J.], S. 11-14.
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