Zweites Kapitel.

[40] Quelle situation affreuse!

Indessen waren drei Tage vergangen, und die Gräfin hatte den Baron nicht bei sich gesehen. Ihre Ungeduld war auf's höchste gestiegen; sie schrieb ihm diesen Morgen ein Billet, und bat ihn zum Essen. Trotz seines Widerwillens wollte er es nicht ausschlagen, denn er glaubte, den Grafen noch immer täuschen zu können.

Er erschien, und sie überhäufte ihn mit zärtlichen Vorwürfen; aber Ton und Blick verriethen ihre Neigung zum Frieden. – Gewiß, lieber Baron! fuhr sie fort: Sie haben viel gut zu machen! – indem sie ihm die Hand mit einem zärtlichen Blicke reichte.

Der Baron war nicht verliebt, er konnte desto galanter sein. Nichts ist leichter, als ein liebendes[40] Weib zu täuschen; ihr Herz deutet alles zu ihrem Vortheil. Die Gräfin war entzückt, ihre Leidenschaft stieg mit jeder Minute, und sie hoffte am Ziele ihrer Rache zu sein.

So viel indessen der Baron von seiner Liebe sprach, so wenig suchte er sie zu beweisen. Er war der beredteste Liebhaber, den man hören konnte, aber er schien nichts weiter zu wünschen. O wie gern hätte ihn die Gräfin ein wenig kühner gesehen! Wie freudig wäre sie ihm auf halbem Wege entgegen gekommen! Aber es blieb bei schönen Worten, und sie seufzte vergebens nach schönen Thaten.

Er ist zu blöde, dachte sie, das Uebermaß seiner Liebe macht ihn bescheiden. Ihr Herz entschuldigte alles; man muß ein übriges thun. Sie warf tausend zärtliche Blicke auf ihn; sie enthüllte den reizendsten Busen, sie erröthete und lächelte wechselsweise; er schien nichts zu verstehen. Schelmische Neckereien, geheimnißvolle Fragen, süße Nachlässigkeiten, wollüstige Attitüden, nichts wurde vergessen, und alles war fruchtlos. Der Baron schien von Marmor zu sein, und nichts lebendiges zu haben, als die Zunge.

Nie sind die Weiber feuriger, und nie erbitterter, als in solchen Fällen. Ihre Eitelkeit, ihre Sinnlichkeit, ihr Stolz, ihr Vergnügen, alles[41] ist dabei interessirt. Es koste was er wolle, sie müssen ihre Absicht erreichen.

In diesem Falle befand sich denn auch die Gräfin. Sie war im Begriff, den letzten Sturm zu wagen, und schien jede Rücksicht vergessen zu haben, als plötzlich ihr Mann hereintrat. Er sah den Baron sehr finster an, grüßte ihn ohne zu sprechen, und setzte sich an das Fenster.

Der Baron war entzückt, diese Scene geendigt zu sehen. Er hatte längst auf Kohlen gesessen, und benutzte den Augenblick, Abschied zu nehmen. Die Gräfin drückte seine Hand mit Inbrunst, und er war boshaft genug, es zu erwiedern. – Mon Dieu, je respire! rief er freudig, als er auf die Straße kam. – Quelle situation affreuse!

Quelle:
Christian Althing: Dosenstücke, Rom; Paris; London [o.J.], S. 40-42.
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