6. [Ich seh die Welt, du siehst die Welt]

[40] Ich seh die Welt, du siehst die Welt,

du nennst es Prosa, ich Gedicht,

was mir gefällt,

gefällt dir nicht,

und aus dem nämlichen Gesicht

errätst du Freude und ich Trauer,

du nennst es süß, ich nenn es sauer ...

wir fangen nun an, uns drüber zu streiten

und alles uns gründlich zu verleiden.


Ein Dritter kommt dazu und lacht:

Mein Gott, gehabt euch nicht so töricht!

im Winter, Kinder, ist es Winter,

und wenn der Mai kommt, wird es Frühling,

und im Oktober nennt man's Herbst ...

ich meinerseits freu mich nicht minder

an Winter, als an Mai und Herbst.

Quelle:
Cäsar Flaischlen: Gesammelte Dichtungen. Band 2: Aus den Lehr- und Wanderjahren des Lebens. Stuttgart 1921, S. 40-41.
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