4. Der klagende Bräutigam. 1

[36] Du, die du warest mein, mein Leben, meine Zier,

wie liegstu hier so blaß, so ganz unähnlich dir?

Die Fenster sind entzwei, der Mund, die Zung' erstarret,

die Hände hangen dir, der Leib will sein verscharret.

Wo ist, o meine Sonn', ietzt deiner Liechter Schein?

Wo ist, o meine Braut, die schöne Schönheit dein?

Die Schmerzens-Töchter mir, die Tränen, tun ausbrechen,

Herzquälen, Augenangst, Hauptschmerzen, Seitenstechen,

die stürmen alle bald einmütig zu mir ein,

wenn ich dich sehe, ja, wenn ich nur denke dein.

Dein denk' ich aber stets, drumb hab ich steten Schmerzen

in Augen, in dem Häupt', in Seiten und im Herzen;

doch kan ichs lassen nicht, ich muß dich sehen an

und denken dein, solt' ich gleich noch mehr Schmerzen han:

diß tu' ich nur darumb, daß durch solch stetes Quälen

die Seele mir vergeh' und folge deiner Seelen.


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 36.
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