10. Auf des Edlen Georg Seidels von Breßlau Leichbestattung

[48] 1632 December.


Diß ist es, werter Freund, wie wenig es auch ist,

das du nun, nicht wie vor mit irdnen Augen, siehst

aus einer höhern Burg; diß ist es, was ich schriebe

zum Zeichen deiner Treu' und Male deiner Liebe,

die nicht gemeine war. Du hast tot obgesiegt,

du lebest übermacht! Wer, wie du, unten liegt,

der steht frei aufgericht'. Die werte Heldenkrone

hast du vor dein Verdienst bekommen nun zu Lohne,

in ihr prangst du vor Gott. Wer ritterlich hier fällt,

der hat in dieser Ruhm, und Preis in jener Welt.[48]

Kein dapfrer Kriegsman stirbt. Das Leben, das er setzet

auf Eisen, Blei und Stahl, wird leichtlich zwar verletzet.

Wer viel wagt, kömmt um viel. Doch auch gewinnt man viel,

wer seine Schanze setzt auf ein berühmtes Spiel,

als wie allhier geschieht. Was ist es, daß man lebet

um eine Hand voll Blut und was darinnen webet,

das hier gefühlet wird? Wie bald ist es geschehn,

daß wir den schwachen Geist durch schwache Zähne sehn

verhauchen in die Luft, wenn uns ein schlechtes Fieber

befällt und opfert auf? Wer wolte nicht viel lieber

an einen sichtbarn Feind, für dem er stehen kan,

und auf gut ritterlich es mit ihm nehmen an,

als einen matten Tod im faulen Bette leiden,

den man zwar schelten kan, doch aber nicht vermeiden?

Im Felde stirbt sichs baß. Nicht wie ein Feiger tut,

der seine Tage nicht gesehn ein Tröpflein Blut,

trutzt auf der Mutter Geld, des Vatern Rittergüter.

Hat er sie so? weiß Gott, nein! nein! Nicht die Gemüter,

so ohne Mute sind, doch ihnen bilden ein,

als solten sie wol mehr als Hector selber sein,

gehören in den Krieg. Er taug ja auch zu kriegen;

er solte, mein' ich wol, doch auch nicht unten liegen,

wo Frauenzimmer Feind', die Küsse Kugeln sein

und was man sonsten da mit Sturme nimmet ein:

da ist er wol versucht. Ich kenn' auch einen Bauer,

der solte zu dem Tun nicht sehen allzusauer;

wie selten er sonst lacht, wenn man ihm solchen Streit

böt' an, er näm' nichts zu. Ein Solcher schmäht die Zeit,

schont seiner zarten Haut, bläst in die weichen Finger,

wenn er kaum nichts rührt an, hält sich doch nicht geringer,

als der, so viel gesehn; hängt seine Fochtel an,

die er zu tragen weiß, als wol kein Edelman;

vom Brauchen weiß ich nicht. Ein Andrer muß sich schmiegen,

den er für schlechter hält; weiß prächtig her zu lügen

vom Reisen diß und das, da doch der gute Schweiß

in seiner ganzen Kunst nicht anders meint und weiß,

die Welt sei größer nicht, als seines Nachbarn Garten,

der doch so groß nicht ist; verschleißt die Zeit mit Karten;[49]

dieweil ein Ander' sich des Vaterlandes wehrt,

steht Not und Hunger aus, liegt er zu Haus' und zehrt:

das mag ein Ritter sein! Du hast durch deine Tugend

dich recht geadelt selbst, mehr in der ersten Jugend

als Andre, die schon grau, mit deiner Faust verbracht:

drum wird nun deiner auch mit Ruhme stets gedacht.


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 48-50.
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