6. Auf des ehrnvesten und wolgelahrten Herrn Reineri Brockmans, der griechischen Sprache Professorn am Gymnasio zu Reval, und der erbarn viel ehren- und tugendreichen Jungfrauen Dorotheen Temme Hochzeit

[72] 1635 April.


Zuschrift an Braut und Bräutigamb.


Laßt diß ein Zeichen sein, ihr wolgetrauten Beide,

daß euch mein Phöbus liebt, der niemals Feind sein kan

dem Volke, wie ihr seid! Die Braut gehört ihm an,

der Bräutgamb ist sein Freund. Er freut sich euer Freude,[72]

verehrt euch, was er hat, in diesem frei vom Neide,

daß er nichts Hohes schenkt. Doch weiß der gute Man,

daß wenn er Wündsche giebt, so hab' er satt getan,

und ihr seid auch vergnügt. Sie spinnen Gold für Seide,

die Parzen über euch. Des Jupiters Gemahl

führt euch das Lager auf. Der Hymen steckt den Saal

mit liechten Fackeln voll und läßt den Brauttanz machen,

den mein Apollo singt. Freit, tanzet, schlafet wol!

Der Schluß der Götter steht; was drauf geschehen soll,

das ist des Vatern Lust, der jungen Mutter Lachen.


M.P.F.V.H.

Den Nächten gieng das Liecht der halben Phöben auf,

ihr Bruder hatte gleich im Stiere seinen Lauf.

Die Wälder schlugen aus, das Wild war bei Gefährten,

das Dorf gieng auf das Feld, die Stadt in ihre Gärten.


Mit Kurzem, es war zu Mitten des Aprils, als ich einst nach gehaltenem Mittagsmahl, umb mich ein wenig zu ergehen, aus Reval, da wir die Zeit stille lagen, in den anmutigen Koppel spazierte, von dessen Gegend ein lustiges Absehen in einen Meerbusen der Ostsee und umbliegendes Gepüsch war, zwar von niemande als einem der Knaben vergleitet, aber, wie jener sagte, niemaln weniger alleine, als da ich so alleine war. Und bedünkte mich der Ort bequem zu sein, allda ich meine Gedanken auslassen und ihnen desto mehr und freier nachhängen könte. Wie lange, sagte ich zu mir selbsten, wirds noch zur Zeit sein, daß ich in mein süßes Vaterland und zu den lieben Meinigen, welche ich voller Kriegsunruhe und Betrübnüß vor zweien Jahren verlassen muste, wieder gelangen werde? Zwar wie die Sage gehet, so hat der versöhnte Gott mein Meißen mit Friedensaugen gnädiglich wieder angesehen, aber die Meinen müssen noch unglückselig sein, indem daß sie solch sein groß Glücke leiblich nicht anschauen mögen. Die Beschaffenheit unserer Reise wird mir solches so balde nicht verstatten. Was aber hätte wol für ein geneigter Verhängnüß aus damaliger Gefahr mich entreißen können als eben die wunderliche Versehung zu dieser löblichen und der ganzen Christenheit ersprießlichen Reise? Unsere Gesandten, die tapfern und vornehmen Leute, was haben sie an geneigtem Willen und allem Vorschube ermangeln lassen? Wahrlich, nicht alleine bishero nichts, sondern haben auch aufs Künftige günstigen Verspruch getan. Und du, Undankbarer, bist am wenigsten bekümmert, auf was Maßen[73] du die hohen Guttaten bedanken wollest. Zwar daß du angefangen hast von ihrem Lobe und Verrichtungen aufzusetzen, ist ihr billicher Verdienst und deine rechte Schuldigkeit, aber was berufest du dich auf solche Sachen, die zukünftig sein, und von denen du weder sie noch dich versichern kanst? Ihr stündliches und stets gegenwärtiges Woltun erheischet eine gleichmäßige Dankbarkeit. Hierüber fiel mir ein, daß, wie neulich der Geburtstag des Herrn Brüghemans, also der bald kommende des Herrn Licentiaten Crusii mir Anlaß und Fug geben würde, mein Gemüte in etwas auszulassen. Hub derowegen für wündschen an:


Kom, schöner Tag, und du, o süßer Schein,

wie lange wilst du denn noch außen sein?

Kom, brich doch an! Die Laute liegt schon fertig,

die Saiten stehn. Bist du nur gegenwärtig,

so soll ein Lied dir werden ausgeführt,

das dich erhebt und deinen Herren ziert.

Ach, daß du itzt, daß du noch heute kämest

und mir diß Leid, diß müde Warten nähmest!

Kom, schöner Tag, und du, o süßer Schein,

wie lange wilst du denn noch außen sein?


Mir war noch nicht ausgefallen das Gedichte, so gemeltem Gesandten, Herrn Brüghemanne, in Moskau auf seinen Geburtstag gemacht wurde, und weil ich mit solchen Gedanken umbgienge, sagte ichs vom Anfange bis zu Ende her:


Herr, wer er auch wird sein, der etwas auf wird schreiben,

das bis zum Ende hin der grauen Zeit kan bleiben,

das seinen Tod verlacht, der wird auch zeigen an,

was diß sei für ein Werk, das itzo wird getan,

und wie, und wer es tut. Er wird voraus vermelden

den unverzagten Mut, das Glücke zweier Helden,

die alle Furcht und Neid geschlagen unter sich,

vor keiner Müh' erblaßt, bis daß sie ritterlich

den teuren Dank verdient. Er wird den Lauf der Sachen

durch sein berühmbtes Buch gleich als wie schöner machen,

ein Barclay seiner Welt. Ietzt tun wir was sich ziembt,

und was der alte Brauch noch heute löblich rühmbt,

auch nicht zu schelten ist. Der Brunnquell aller Tage,

der Gott, den Delos ehrt, tritt auf der Sternenwage[74]

mit seiner Pracht herfür, sagt von der hohen Bahn

den Namen, den ihr führt, der runden Erden an.

Drumb kommen wir auch ietzt. Dem Himmel will gedanket,

euch Glück gewündschet sein. Euch hat noch nie gewanket

die Göttin, die ein Rad und leichte Flügel führt,

weil Vorsicht und Verstand in eurem Tun regiert.

Der teure Friedrich liebt den Witz der klugen Räte,

macht seine Cimbren froh, erbauet neue Städte,

vermehrt sein reiches Land, läßt einer andern Welt

durch euch sein Herze sehn, hat alles heimgestellt

in euer weises Tun. So hoher Häupter Häuser

verbinden sich durch euch; der Reußen große Kaiser,

der heißt euch seinen Freund. Der edle Saphian

wird bald erfahren auch, was eure Treue kan,

die seinen Nutzen sucht und unser Land vermehret.

Ihr seid der Länder Heil, macht, daß der Morgen kehret

in unsern Abend ein, daß sich die Mitternacht

mit beiden wie vermählt und eine Freundschaft macht,

die mit der Welt gleich lebt. Ihr öffnet uns die Länder,

die noch verschlossen sind, zieht der Verbündnüß Bänder

umb ferne Gränzen her, setzt sichern Glauben ein

und lehrt ein frembdes Volk, wie es uns treu muß sein.

Der Preis ist euer Lohn. So nehme nun die Gaben,

die wir vor euer Heil den Sternen vorbracht haben,

der Höchste gnädig an! Er sei euch förder gut

und segne, was ihr treibt, als wie er täglich tut!

So binden wir euch an, die ihr euch habt verbunden

mit Woltun längst vorhin. Seht diese süßen Stunden

noch tausentmal wie ietzt! Ein Wundsch ist unser Band,

das nicht wird aufgelöst, als durch der Günste Hand.

Du aber, altes Jahr, verjüngre deine Glieder,

zeuch deinen Zierrat an, nim neue Kräfte wieder,

sei deiner Jugend gleich! November werde Mai,

mach, daß für weißen Schnee es weiße Lilgen schnei',

heiß da sein Lust für Frost! Ihr armen Etesinnen

haucht unsern Winter an, und ihr, ihr Najadinnen,

sprengt laulicht Wasser aus, daß aller Blumen Zier

aus der verlebten Welt vom Neuen komm' herfür!
[75]

Und darmit ich mich ein wenig ermunterte, sang ich die eben selbigem Herren auf dessen neulichen Geburtstag übersendete Ode, welche mir noch in frischer Gedächtnüß hienge:


Ist er itzo schon von hinnen,

mein und euer großer Freund,

ihr berühmbten Castalinnen

tut drumb nicht, als wie ihr meint,

daß der schönste seiner Tage

unbeschenkt sich von uns trage!


Nicht so, Meine! Stimmt die Saiten

und mischt euren Ton darein!

Laßt uns heut umb Freude streiten!

Diß soll unser Reichtumb sein,

daß wir ihm zu Dienst und Ehren

ein kurz Liedlein lassen hören.


Hier rinnt unsre Hippocrene,

Pindus und sein Volk ist hier,

das ein hohes Lobgetöne

ausschreit ihm und uns zur Zier,

und die bloßen Charitinnen

tanzen uns nach unsern Sinnen.


Euch, o Edler, euch zur Freude

sieht Apollo güldner aus,

Luna hängt all ihr Geschmeide

an ihr vollgestirntes Haus,

daß der schöne Tag dem Zeichen

der noch schönern Nacht muß weichen.


Der beschneite Hornung stehet

und streicht seinen Eisbart aus.

Äolus, der alte, gehet,

hemmet seiner Knechte Lauf

und läßt keinen von so vielen

als den linden Westwind spielen.


Das Verhängnüß drückt sein Siegel

in das blaue Himmelsfeld.

Fama schwingt die Augenflügel

und ruft durch die Sternenwelt,[76]

daß forthin auf unsrer Erden

güldne Zeit durch euch soll werden.


Die anmutige Einstimmung der umbher schweifenden Lerchen nahme mir mein lüsternes Gemüte so sehr ein, daß ich mehr auf ihr Tiriliren als meine Wort Achtung hatte. Mit diesem so scheust eine hinder mir auf, daß sie im Fluge meinen Hut berührete. Diese Lust erinnerte mich meiner alten Gedanken, welche mir doch, halte ich dafür, wäre es außer dem gewesen, nicht in den Sinn kommen wären. Ist diese, sagte ich wider mich selber, auch eine von den Buhlerinnen, welche sich bisweilen ihren Verliebten so nahe darstellen und doch endlichen auf vermeinte gewisse Umbfassung sich ihnen wieder entreißen? Rechte Brüder sind diese des Tantalus, welcher, ob er wol die schönsten Äpfel vor seinem Munde hat, auch selbst mitten im Flusse stehet, doch die vor ihm fliehende Kost nicht erlangen mag, und also


Stets ist am Durste voll und an dem Hunger satt.


Wahrlich dieser und kein andrer Vogel übereilet derer Leute Wankelmut mit seiner Geschwindigkeit im Fliegen, und mag wol nichts Unliebers sein, als in solcher Liebe zu leben. Mitlerweile kam ich zu einem breiten Steine, der mit seiner Bequemigkeit vorüber Spazierende sich niederzusetzen einlude. Auf dem nahm ich ein wenig Ruhe, und darmit ich nicht gar Nichts täte, so sange ich, als gut ich konte, folgende Ode:


Laß es sein, mein Sinn, und schweige,

stelle deine Seufzer ein!

Schlechte Seelen, die sind feige,

die nur von der Erden sein.

Denke, denke, was du denkst,

daß du dich so abekränkst!


Ein beherzetes Gemüte

weichet keinem Glücke nicht,

es erfrischet sein Geblüte

wenn den andern ihres bricht,

lacht und weinet nicht zu viel,

will stets was sein Glücke will.


Wenn der Stahl den Stein bestreichet,

so wird er erst rein und scharf.

Du, mein Sinn, bists, der ihm gleichet,

der auch Glanz und Schärfe darf.[77]

Unfall ists, der auf uns wacht

und die Männer mänlich macht.


Ein bewehreter Soldate,

der vor keinem Tode zagt,

suchet ihm zu früh und spate

einen Feind, mit dem ers wagt.

Ein groß Herze bricht heraus,

fordert stets sein Unglück aus.


Mein! was nützet doch das Klagen,

daß die Liebste nicht ist hier?

Mißtreu ists, so wir verzagen,

sie ist allzeit ähnlich ihr.

Wahrer Liebe treue Pflicht

mindert sich durch Absein nicht.


Dennoch ist sie in dem Herzen,

ist sie aus den Augen schon.

Dieses, was du nennest Schmerzen,

ist der rechte Liebe Lohn,

die sie fühlet gleich wie du

und noch duppelt mehr darzu.


Philyrena, die du liebest,

liebet dich noch wie vorhin.

Umb die du dich so betrübest,

wirst du wieder sehn, mein Sinn,

und das wird dir lieber sein

als auf Regen Sonnenschein!


Kommet bald, ihr schönen Tage,

komme bald, du süße Zeit,

daß ich frei und fröhlich sage:

Weg, erblaßte Traurigkeit!

Philyrena, meine Zier,

ist und bleibet stets bei mir.


Ich hatte die letzten Worte noch nicht recht ausgesungen, so hinterschleicht und umbfällt mich Polus: Ja, mein, ja, sprach er, wie vielmal hab' ichs erraten, was deine Krankheit sei! itzt hast du, wider dein so vielmaliges Verleugnen, ohne Peiniger mir Alles selbst bekant. Das Erschrecken über seiner gählingen Ankunft hatte mich blässer gemacht, und diß gab ihm Anlaß mich mehr zu verlachen. Eben diese, fuhr er[78] fort, ist die rechte Farbe, darbei man die fleißigen Liebhaber erkennet. Endlich fang' ich an: Es ist mir besonders lieb, mein Polus, daß ich dich itzt bei mir befinde, der ich sonst die Zeit mit eiteln und vergeblichen Gedanken verschlissen hätte. Daß du dir aber etwas solches von mir einbildest, weiß ich nicht, ob diß arme Lied, welches du vielleicht auch nicht recht gehöret hast, dir ein genugsamer Zeuge sein könne. Ich bin gewiß, daß dergleichen etwas von mir Niemand wird haben übertragen und nachreden können; zudem, so wird mich die Beschaffenheit meines ietzigen Zustandes dessentwegen bei dir und andern leichtlich entschuldigen. Zwei widerwärtige Dinge sind, sagt Venator recht in Herr Opitzens seiner Hercinie, Reisen und Lieben: und nur in diesem einander gleich und verwandt, daß sie beide in ihrem Unbestand beständig sind. Überdiß kennestu die Poeten, unter welche man mich, weiß nicht aus was für Verdienste, mit Gewalt rechnet, die zuweilen ihrer Mutter, der Natur, nicht allein nichts nachgeben, sondern auch sie an Fruchtbarkeit übertreffen wollen, indem sie Sachen erdenken, welche niemals gewesen sind, noch sein werden.

Wie schwerlich er dessen zu bereden war, sagte er doch endlich: Ich muß dirs zu gefallen gläuben. Und du tust wol, fuhr er fort, mein Fleming, daß du dich wider Anderer Meinung derer Sachen entschlägest, welcher Wurzeln zwar süße, die Früchte aber bittrer als Erdrauch und Galle sein. Die widerwärtigen Vorstellungen ungleicher Personen machen dich klüger, derer Gemüter durch Kraft dieser Sonnen teils wie Wachs zerschmolzen, teils wie Leimen ausgesogen und vertrocknet sind. Haben dir Etliche hierinnen etwas aufgedacht, so ist es doch, wie ich von dir verstehe, nur ihr bloßes Einbilden gewesen, und hast du recht getan, daß du dich unterweilen gleich krank mit ihnen angestellet, damit sie sich auf den Schein einer Gesellschaft ihres Anliegens trösten könten. Du kennest ja Einen, der hiervon also singet:


Wer ihnen traut, pflügt in die Winde

und säet auf die wilde See,

mißt des verborgnen Meeres Gründe,

schreibt sein Gedächtnüß in den Schnee,

schöpft wie die Schwestern ohne Liebe

das Wasser mit durchbohrtem Siebe.


Der schnelle Wind fährt ohne Zügel,

ein leichter Pfeil eilt auf Gewin,[79]

der starke Blitz hat frische Flügel,

ein strenger Fall scheust plötzlich hin:

für ihren Sinnen sind nicht schnelle

Wind', Pfeile, Blitz' und Wasserfälle.


Sonsten heists: Weit darvon ist gut für den Schuß! Der schädliche Arsenik mag wol ohne Gefahr in den Mund genommen, aber nicht ohne selbige eingeschluckt werden. So sticht auch der giftige Scorpion nur den Anrührenden. Napellus, ein Kraut, tötet die Leute, wenn es nur in der Hand oder auf dem Häupte erwarmet. Soll dir der Jebenbaum nicht schaden, so fleug seinen vergifteten Schatten! Die Liebe ist das sardinische Gewächse, welches den Leuten mit Lachen heim hilft. Im Widrigen, geschichts gleich, daß dir hierinnen etwas Menschliches widerfähret, so weist du doch, wie weit du den Zügel schießen lassen solst.

Was du bishero geredet, sagte ich, das laß ich dich bei ihnen verantworten. Mich aber solstu ganz sicher von solchen Händeln wissen und dannenhero aller Qual und Mißgunst entfreiet. Wolte Gott, sagte er weiter, wir wären alle dieser letzten frei! Ich merkte wol, worauf er dieses redete, und war mir lieb, daß wir auf etwas anders gerieten. Darumb fragte ich: Was klagst du über Misgunst, der du des Deinigen wartest und sonder Zweifel reiche Belohnung für deinen Fleiß einstreichest? Das werden wir an unserm Teile allhier wol gewahr, antwortete er, da des Neides und übel Nachredens fast kein Ende ist. Oho, sagte ich darauf, das sind Scheltworte, die gehen euch nicht an! Du weißest besser, als ich dirs sagen kan, was unser Seneca hiervon so viel redet. Kans doch Jupiter nicht allen Leuten recht machen! Auch der Müglichkeit selbsten ist es unmüglich, Allen gefallen. Muste nicht der künstlichste Mahler sein unsträfliches Werk von einem Schueknechte durchziehen lassen? Aller ehrlichen Sachen Beginnen ist lobenswert, das Vollführen stehet bei dem Unsterblichen. Was wird wol zugleich angefangen und vollendet? Die Natur auch hält ihre gewisse Zeit, welche ihren Geschöpfen die Vollkommenheit geben muß. Wie lange muß ein Kind haben, ehe es gehen, ehe es reden lernet? Ein Baum, der heuer gepflanzet wird, blühet nicht also balde, trägt nicht so geschwinde seine Früchte. Ie näher ein Strom seinem Häupte, dem Quelle ist, ie kleiner ist er auch. Leget nicht der Baumeister erst den Grund, hernach führet er seine Werk in die Höhe auf? So ist auch das große Rom auf einen Tag nicht gebauet. Euer Gymnasium, welches itzo noch in den ersten Jahren ist, wird dermaleins auch zu seiner Manheit kommen.[80] Wer sind sie, die euch und euren Fleiß verkleinern? Unverständige, mit Löwenshäuten verkapte Midasbrüder. Und was hinderts, daß ich, der ich mich billich hierüber bewege, dir und deinen andern Mitgesellen, allen meinen lieben Freunden, zur Aufmunterung, wo anders euer Fleiß Ermahnens bedarf, etwas hersinge? Fieng derowegen auf sein Gutachten an nachgesetzte Ode:


Ich bin froh, daß ich was habe,

das man dennoch hassen kan,

und was geht mir daran abe,

daß mich jener schel sicht an?

Leid' ich von der Tugend wegen,

so wird mir sein Fluch zu Segen.


Neid ist nur bei hohen Sachen

und die nicht gemeine sind,

hierein setzt er seinen Rachen;

des Gelücks Gefährt' und Kind

steigt und fällt mit seinem Rade,

wenn es Zorn braucht oder Gnade.


Große Dannen, hohe Fichten,

die bestürmt des Nordwinds Zorn,

der doch nichts dran aus kan richten:

keine hat kein Haar verlorn.

Wer der Tugend an will siegen,

pfleget allzeit zu erliegen.


Kaphareus verlacht die Wellen,

die sich an ihm lehnen auf.

Scylla läßt die Wogen bellen,

auch nicht so viel giebt sie drauf.

Laß das Unglück' auf sie gehen,

Tugend steht, wie Klippen stehen.


Rost verzehrt den stillen Degen;

stehnde Sümpfe werden faul,

Lüft' auch, die sich nicht bewegen;

unberitten dient kein Gaul;

Müssiggang verderbt die Jugend;

ungeübt verschält die Tugend.


Tugend, die ist niemals müssig,

sucht ihr allzeit einen Feind[81]

nie der Arbeit überdrüssig,

aller Mühe steter Freund.

Ihre Sinnen und Gedanken

sind: stets laufen in dem Schranken.


Die berühmbten Dattelstämme

heben ihre Last empor,

und tun zwischen solcher Klemme

reicher ihre Zier hervor.

Ein stark Herze wird erblicket,

wenn es sein Verhängnüß drücket.


Aus den ausgequetschten Trauben

kömpt Lyäus süßer Saft.

Eine Rose hat, bei Glauben,

ungerieben schwächre Kraft.

Tugend schmeckt und reucht gepresset,

welche Kost ihr Weisen esset.


Bellet, ihr erzürnten Hunde,

bellt die stille Phöben an:

sie bleibt wol, wo sie vor stunde,

und hält ihre hohe Bahn.

Weisheit ist zu hoch gestiegen,

da kein Haß ihr nach kan fliegen.


Jene, die ich sie sein lasse,

die nicht mehr sind als nur sein,

sind nicht wert, daß ich sie hasse,

reich an Nichts, klug auf den Schein.

Wahn ists, des ein Weiser lachet,

der sie so voll Hoffart machet.


Unser Pöfel hat die Sitten:

schilt, was er nicht haben kan,

tadelt, warumb er muß bitten,

sieht den Nachbar hart drumb an,

und an dem er muß verzweifeln,

das vergönnt er allen Teufeln.


Bessern soll michs, nicht betrüben,

daß mich der zu tadeln pflag.

Wer nicht etwas hat zu lieben,

hat nicht, was man hassen mag.[82]

Und umb was mich dieser neidet,

ist, an dem er Mangel leidet.


Ich kan Einem ja vergönnen,

daß er seines Maules braucht,

redet er mir nicht zu Sinnen;

wie bald ist ein Wort verhaucht!

Hüte dich nur für den Taten!

Gott, der wird den Lügen raten.


Steht denn meine Schand' und Ehre

so in Eines Lob und Schmach?

Weit gefehlt! Wenn dieses wäre,

so gäb' auch kein Weiser nach.

In die Zeit sich schicken künnen,

künnen nur geübte Sinnen.


Diß mein redliches Gewissen

ist mir Zeuge gnug für mich.

Wes ich allzeit mich beflissen,

wissen zwene: Gott und ich.

Welcher Alles will verfechten,

der muß heut' und allzeit rechten.


Jupiter, wie hoch er sitzet,

ist nicht von den Lästrern frei.

Wenn er allzeit würd' erhitzet,

wenn man ihn schilt ohne Scheu,

so würd' er in kurzen Weilen

werden arm an Blitz und Keilen.


Will dich Einer nicht begrüßen,

so behältst du deinen Dank.

Setzt er dich schon nicht auf Küssen,

sei vergnügt mit bloßer Bank!

Er und alle, die dich hassen,

müssen doch dich dich sein lassen.


Laß sie sein, die Theons-Brüder,

die Geschwister Zoilus',

und laß deine guten Lieder,

die der Haß auch lieben muß,

die die Unehr' auch muß ehren,

umb die Flüß und Püscher hören!
[83]

Ich wolte noch mehr gesungen haben, aber die gleiche Entgegenkunft Zweier, welche der Bekleidung nach von fernen uns Befehlichshaber zu sein schienen, unternahm es. Wer sind diese? fragte Polus. Ich gab zur Antwort: Dafern ich anders mit meinem halb ganzen Auge nicht noch doppelt sehe, so däucht mich, der Eine ist unser Olearius. Wie? antwortete er, wo soll er itzt hieher kommen? Wir bestunden ein wenig, umb ihre Herzunäherung zu erwarten. In der Warheit, hub er wieder an, er ists! Und der Andre, sagte ich, ist Pöhmer. Hiermit giengen wir auf sie zu. Und da wir noch eine gute Strecke von ihnen waren, schrie uns Olearius an: Ich vermeine ja, sprach er, ihr seids, ihr lieben zwei Freunde? Wir eben auch also von euch, sagte Polus, o ihr ganz unversehene Gäste! Hierüber empfiengen wir einander mit Freuden. Und nun erfahre ich, fuhr Olearius fort, daß sich gleich und gleich gerne gesellet. Ich ward hierüber ein wenig lachend. Wer uns beide, sprach ich, gleich heißet, der muß fürwahr ungleicher Augen sein. Du aber, sagte er zu mir auf dieses, kanst deine alten Einfälle nicht lassen. Und weil sie beide mit einander redeten, führete mich Pöhmer ein wenig bei der Hand ab und sprach: Mein! wie hastu so gar unterlassen können, in so geraumer Zeit an mich zu schreiben? Beschuldige mich nicht, antwortete ich, mein Bruder! Es ist unterschiedener Malen geschehen, und eben den Tag hernach, als ihr von Moskau abgereiset waret, da ich denn deiner in einer Ode, so Einem unsrer besten Freunde ge macht wurde, auch gedachte. Du weist, fuhr er fort, daß ich ein Liebhaber deiner Poesis bin. Kan ich bittselig sein, so laß mich selbige hören! Gerne, antwortete ich, aber sie ist mir meistens aus dem Gedächtnüß entgangen. Ohnegefahr war sie so gesetzt:


Er, der liebste deiner Tage,

den der güldne Titan trägt

auf der hohen Sternenwage

und in diese Stunden legt,

er, der liebste, heißt uns lachen

und mit dir uns lustig machen.


Wol! Damit du seist gebunden,

so sei dieser Eppichstrauß

in dein weißes Haar gewunden!

Freund, es geht auf Lösen aus!

Du wirst nicht ohn' deinen Schaden

uns darfür ein müssen laden.
[84]

Wir sind da, wir treuen Dreie,

die du mehr als vor nun kennst,

die du dir verknüpfst aufs Neue,

daß du sie mehr deine nennst.

Wir sind da mit dem Verlangen,

was du denn nun an wirst fangen.


Folge, Bruder, was zu üben

wir und Zeit und Himmel heißt!

Mein! wer wolte Den doch lieben,

der sich stets der Lust entreißt?

Denn ists Zeit, daß wir uns grämen,

wenn wir unsers Glücks uns schämen?


Brauch' der Zeit! Die leichten Stunden

schießen schneller als kein Fluß.

Zeit hat Flügel angebunden,

Glücke steht auf glattem Fuß,

und die hat nur vornen Haare,

die nicht allzeit kömpt im Jahre.


Gott weiß was wir morgen machen;

heute laß uns lustig sein!

Trauren, Frohsein, Weinen, Lachen,

ziehn bald bei uns aus, bald ein.

Wol dem, welcher ist vergnüget,

wie sich sein Verhängnüß füget!


Bringt uns Lauten, Geigen, Flöten!

Junger, hole das Regal!

Die Musik kan Trauren töten,

sie zertreibt der Sinnen Qual.

Auch die Götter sind betrübet,

wo nicht sie die Freude giebet.


Wenn wir edlen Menschen sitzen

umb den Ofen und ein Glas,

und an Seel' und Leibern hitzen,

so ist besser Nichts als das,

daß man bei so süßen Dingen

auch läßt süße Lieder klingen.


Her die Schalen! Frisch, ihr Brüder!

Wir sind heut' und morgen hier.[85]

Daß ich warlich komme wieder,

so gilt, Herr Martinus, dir

der Trunk dieses weiten Römers

auf Gesundheit unsers Pöhmers!


Er drückte mir die Hand und sprach: Du solst bedankt sein, mein Bruder! Was aber bringet ihr uns itzo? fragte Polus, als wir wieder zusammen getreten waren. Wir hätten uns eher eines Himmelfalles versehen, als dieser eurer lieben Gegenwart. Olearius wolte gleich seine Frage beantworten, als wir vor uns in dem Püschlein ein liebliches Getöne allerhand süßen Instrumenten, doch uns fernen, erhöreten, welches uns der Orten ein Ungewöhntes bedünkte zu sein. Ich weiß nicht, hub ich zu meinen Gesellen an, ob wir einerlei Ohren haben? Nicht einerlei Ohren, gab Polus zur Antwort, aber vielleicht einerlei Gehör. Es ist nahe dahin kein Vorwerk, auch nach Art unsers liefländischen Winters noch der Zeit nicht, daß man sich auf den Landgütern mit dergleichen belüstige. Wenn euer Land, fuhr Olearius fort, nicht so nahe mit der Barbarei gränzete, so gläubte ich, daß die Musen ihren Parnaß verlassen und in diese Gegend sich verfügt hätten. Sei doch nicht so höhnisch, antwortete Polus, auf das gute Liefland, welches, wäre es ohne die fast in die hundert Jahre mit ihren Nachbarn geführte unerhörte Kriege, unserm Teutschlande an Künsten, Reichtumb und Gerüchte nicht weichen solte. Doch meine ich, daß unser Vaterland durch so langwierige Kriegsläufte etlicher Orten auch ziemblich kahl gemachet worden. Und warumb zeuchst denn du ferne in die Wüstenei, die es warlich ist? Wie ich höre, soll Reußen ein ziemblich holdselig Land sein, von Casan bis Astracan abwärts in die fünfhundert deutscher Meilen so gebauet, daß man fast kein Dörflein zu Augen bekömpt. Ferner, was hat Lustigs und Nützlichs zu beschauen


der Sandstrich, dessen Feld gränzt mit dem Tarterlande

und von der weißen See läuft zum Bahuverstrande,

aus dem kein Strom nicht fleust und der doch viel schlurft ein,

so daß die Erde sie schlingt oder Sonnenschein.


Wie fruchtbar und bewohnet Meden sei, in dessen Hauptstädte, Tauris oder Casmin, einer ihr itzt regierenden Schach Saphian Sophi antreffen sollet, machen Herodotus und Tacitus genugsam offenbar. Ich scherze nur, gab Olearius zur Antwort. Doch wisse, fuhr er fort,


daß auch in der Barbarei

Alles nicht barbarisch sei.
[86]

Was seltsam ist, das ist mehr angenehm. Zudem reisen wir mit Leuten, derer Gesellschaft uns ietzo Trost, Lust und Zeitverkürzung, dermaleins Beförderung und Freude geben kan. Wie mag der von Süßigkeit urteilen, der nie zuvor bittere und herbe Sachen gekostet hat? Aus Gegeneinanderhaltung werden widerwärtige und ungleiche Dinge mehr offenbar und kentlich. Unser Vaterland, welches mit Warheit eine der schönsten Landschaften in der ganzen Welt ist, wird uns dermaleins noch schöner fürkommen, wenn wir dasselbige gegen solche Örter setzen und darvon Unterredung anstellen werden.

Unter solchen Reden waren wir dem Getöne ein gut Teil Weges nachgegangen, welches ie mehr wir folgeten, ie weiter es uns aus den Ohren zu rücken bedünkte. Wir waren nun vor den Pusch ankommen, da wird Pöhmer einer Tafel ansichtig, welche an eine mittelmäßige Danne aufgehenkt war. Wir giengen etwas geschwinder drauf zu und besahen sie. An ihr selber schiene die Tafel von Pflaumenbäumenholze gemacht zu sein, und waren umb sie, wie sie denn achteckigt war, zwei Lorbeerreiser, einem gespitzten Kranze nicht ungleich, hergelegt. Die Schrift war güldin, allerdings so sauber, daß man abnehmen konte, sie müste mit keiner sterblichen Hand geschrieben sein. Polus nam die Tafel ab, und wir andern traten mit Verlangen umb ihn her. Eine seltsame Geschichte! hub er an. Fürwar unser Olearius hat mit Scherzen ernstlich gemutmaßet. Und diß hat uns die Musik bedeutet, die nun aus unsern Ohren verschwunden ist. Die neun Musen haben unserm Brokmanne ihre Hochzeitwündsche verehret. Und lase sie folgendergestalt nacheinander her:


Clio.


Die schöne Temmin freit und Brokman wird ihr Man.

Ihr Götter, seht diß Werk mit Gnadenaugen an!


Melpomene.


Er liebe sie, wie Orpheus seine liebte,

doch ohne das, was ihn so sehr betrübte!


Thalia.


Hirsche werden langsam alt,

keine Krahe stirbt nicht bald.

Ihren Jahren müß imgleichen

Hirsch- und Krahen-Alter weichen.


[87] Euterpe.


Die Braut ist durch den Schein der schönen Sitten klar,

wie die Sulpicia Paterculana war.


Terpsichore.


Ist er von Jahren jung und grüne von Gestalt,

so ist der Bräutgam doch an grauer Weisheit alt.


Erato.


Niemand weiß der Sternen Zahl

umb des Himmels blauen Saal:

ihres Glückes reiche Gaben

können keinen Zähler haben.


Calliope.


Mein! was vermählt diß Paar der süßen Jugend?

Was ist ihr Schatz, ihr ganzes Alles? Tugend.


Urania.


So einig, so getreu, so fruchtbar und so rein

sei dieses neue Paar, wie Turteltauben sein!


Polyhymnia.


Seid tausentmal gegrüst und tausentmal gesegnet,

ihr Beide, denen Nichts als Glück und Heil begegnet!


Wir sahen einander an und verwunderten uns des Verlaufs solcher Sachen. So kommen wir, fieng Olearius an, so gestalter Dinge zur Hochzeit? Ich freue mich des Glückes und wündsche meinem Brokmanne und seiner Liebsten allen Segen. Aber was halten wir uns hier länger auf? Der heranrückende Abend gebeut uns von hinnen zu gehen. So ist es auch unbillich, daß wir diese Freude unsern guten Freunden in der Stadt etwas länger mißgönnen und verhalten sollen. Hieran werden wir Materie gnug haben uns den Rückweg zu verkürzen. Wir ließens uns sämptlich gefallen, grüßeten die Oreaden und Hamadryaden als einheimische Nymfen des Orts, täten auch unsere Ehrerbietung gegen den Baum, an dem wir der Musen Hochzeitwündsche gefunden hatten und wendeten uns nach der Stat zu. Ich liebe, redete Olearius weiter, den Bräutigam als meinen Bruder. Ich nichts weniger, sagte ich. Er ist der Erste von den Gelehrten, der bei unserer Ankunft nach mir gefraget[88] und mit dem ich Freundschaft gemacht. Zu dessen Zeugnüß ich ihm bei Überreichung seines Stammbuchs Nachfolgendes zu Latein drein schriebe:


So viel Athen und Rom an Weisheit Schönes hat,

so viel hat Beides dir gegeben in der Tat,

o du der Musen Zier und Lust der Charitinnen,

den jeder lieben muß, der Liebe kan beginnen!

Ich ehre deinen Geist und wundre mich der Kunst,

doch übertrifft sie zwei der Freundschaft werte Gunst.

Ich weiß nicht, was ich vor und nach an dir soll lieben.

Diß weiß ich, du bist mir ganz in den Sinn geschrieben.


Er ist ihrer, sprach Polus, und sie seiner wol wert. Ist auch kein Zweifel, daß aus Vermählung so ähnlicher Gemüter eine gewündschte Ehe ersprießen wird. Sie meinen einander von Herzen. Er für seine Person gibts sonderlich zu vernehmen in einem Liede, welches er ihr einsten an einem Freitage übergeben lassen, und nunmehr in vieler Händen ist:


Ja, Leben, ich bin angezündet

von deiner Liebe keuschen Brunst.

Was meine freien Sinnen bindet,

das sind die Ketten deiner Gunst.


Wie selten sind sie sonst beisammen

ein Leib und Geist an Zier gleich reich!

Diß duppelt meiner Liebe Flammen:

bei dir ist Schmuck und Zucht zugleich.


Der Glanz, die Schönheit, das Gebärden

war dich zu lieben übrig satt,

doch muß diß vor gerühmet werden,

daß deine Jugend Tugend hat.


So kom und laß mich werden innen

der schönen Freuden süßen Frucht!

Schatz, dich allein besitzen können,

ist einig, was mein Herze sucht!


Ich tue es nicht gerne, fieng ich hierauf an, daß ich Heimligkeiten offenbare, doch gereicht ihm diß zu keinem Schaden. Unlängst geriet ich über sein Buch, darein er viel Liebsgedichte geschrieben hatte. Unter hunderten gefielen mir, teils der Kürze, teils des Verstandes halben, nachgesetzte Überschriften:


Auf der Liebsten Demant

[89] Was ists, das du mir sagst, du liechtester der Steine

und härtester dazu, mit deiner Kraft und Scheine?

Diß ists: mein Lieb und du trefft mit einander zu,

ihr Herz und Augen sind so hart und hell als du.


Auf ihr Armband

Fahr hin, du liebes Band, fahr hin an deinen Ort,

dieweil du selbst so eilst und wilst mit Ernste fort,

fahr hin und bind mir die, die mich mit dir gebunden!

Bindst du sie, wie sie mich, so hab' ich überwunden.


Er redet der Liebsten Halsperlen an

Was bildet ihr euch ein, ihr Muscheltöchter ihr?

Vermeint ihr, daß mein Lieb euch trägt zu ihrer Zier?

Nein, darumb trägt sie euch, darmit ihr selbsten schaut,

wie viel ihr dunkler seid als ihre klare Haut!


Bei Übersendung eines Confects

Cupido schickt euch diß, ihr Schönste der Jungfrauen,

aus seiner Mutter Schoß, umb fast nur anzuschauen.

Er weiß, daß euer Mund weit höher sich erstreckt,

für dem der Zucker auch wie bittrer Wermut schmeckt.


Als sie im Schnee sich erlustirete

Spiel immer, wie du tust, doch denke diß darbei,

daß unter diesem Scherz auch etwas Ernstlichs sei!

Du übertriffst, mein Lieb, des liechten Schnees Brauch:

so viel du weißer bist, das bist du kälter auch.


Von deroselben Demant

Was siehst du mich viel an, du liechtes Sternlein du?

Ach zeuch nur wieder heim und tu dein Antlitz zu!

Da bist du viel zu schlecht, zu sein ein Widerschein

der Augen, die mir mehr als Mon und Sonne sein.


Daß er unbillich getan, indem er ihm vorgesetzt, sie in zweien Tagen nicht zu besuchen

Ich dachte, laß doch sehn, was denn die Liebe kan,

wiewol sie sich noch nie mir recht hat kund getan![90]

Dictyuna soll ihr Häupt zu zweien Malen zeigen,

und zweimal soll von Ost Apollo wieder steigen,

eh' sie mich soll ersehn. Cupido war nicht weit.

Was aber, sprach er, ist denn diß vor ein Bescheid?

Mit diesem truckt er los. Ach Lieb, ich bin getroffen!

Diß hier, diß war der Pfeil. Die Wunde steht weit offen.

Giebst du mir einen Kuß, so hat es keine Not,

siehst du mich sauer an, so bin ich plötzlich tot.


Weiln du mich erinnerst, redete Polus weiter, so muß ich euch erzählen, was sich mit mir begeben hat. Unlängst stunde er neben mir in der S. Olufs Kirche; weiß nicht, wie ers versahe, daß er im Abziehen seines linken Handschuchs ein Brieflein daraus fallen ließ, und, wo ich mich nicht irre, so habe ichs noch bei mir verwahret. Das werden gewiß geistliche Sachen sein, fieng Olearius an, weil es an einem geistlichen Orte von so einer geistlichen Person verschüttet und einer gleichen Standes aufgenommen worden. Wir lachten hierüber. Ja, ja, sagte Polus, es ist nicht anders. Zog es darmit heraus und lase es uns vor, nebenst der Überschrift:


Wie er wolle geküsset sein.


Es war fast gar zu deutsch. Derowegen sagte ich: Ich achte für ratsamb, daß dieses unter uns verbleibe, damit wir der Venus ihre Ungunst nicht auf uns erwecken. Nichts gefährlichers ist, als geheime Sachen ausbringen, bevorab dieser Göttin, welcher Werke mit heiligem Stillschweigen wollen geehret sein.

Was könten wir wol billichers tun, sprach Olearius, als daß den beiden zu Ehren ein Ieder unter uns ein Hochzeitgedichte hören ließ? Frembden gebühret die Ehre, sagte Polus. So fange denn an! wir wollen erfahren, was dein Gedichte uns für Gedanken erwecken wird. Derowegen sang Olearius an die vertrauten Zweie:


Was tun doch wir, daß wir die süßen Jahre,

der Jugend Lenz, so lassen Fuß für Fuß

vorüber gehn? Soll uns denn der Verdruß,

die Einsamkeit noch bringen auf die Bahre?

Sie kehrt nicht umb, die Zeit, die teure Waare.

Bewegt uns nicht diß, was man lieben muß,

die Höfligkeit, der Mut, die Gunst, der Kuß,

die Brust, der Hals, die goldgeschmiedten Haare?[91]

Nein, wir sind Fels und stählerner als Stahl,

bestürzt, verwirrt. Wir lieben unsre Qual,

sind lebend tot und wissen nicht, was frommet.

Diß Einige steht uns noch ganz und frei,

daß wir verstehn, was für ein gut Ding sei,

das uns stets fleucht und das ihr itzt bekommet.


Hiemit wandt' er sich zu Pöhmern. Und du, sprach er, Bruder, must auch dran! Ich gebe keinen Poeten, antwortet' er, bin auch der verlobten Personen Bekanter nicht. Doch, weil ich höre, daß ihr ihnen so gewogen seid, so will ich an meinem Teile meine Glückwündschung nicht hindan setzen. Zudem bin ich versichert von eurem geneigten Willen, welcher Alles zum Besten deuten wird. Hub derowegen an:


Die warme Frühlingsluft macht ihren Himmel klar.

Seht, wie das güldne Liecht der Sonnen heller blicket!

Der Felder schwangre Schoß ist zur Geburt geschicket;

die grüne See geht auf, die Quelle springen gar

aus ihren Adern auf; der Blumen bunte Schar

malt ihre Gärten aus. Die Felsen stehn erquicket,

die Täler aufgeputzt, die Auen ausgeschmücket,

der Berge Zierat glänzt, den Wäldern wächst ihr Haar.

Seh' ich diß Alles an, so acht ich unvonnöten,

daß auf diß Hochzeitfest die embsigen Poeten

so ernstlich sein bemüht. Ihr Baldefrau und Man,

erkennt des Glückes Gunst! Luft, Himmel, Sonne, Felder,

See, Quelle, Gärten, Fels, Tal, Auen, Berge, Wälder,

die stimmen euch ietzund ein süßes Brautlied an!


Die Reie traf nun Polussen, welcher sprach: Weil ihr zwei Ersten so glücklich in Sonnetten seid, so muß ich mein Heil auch versuchen. Diß waren aber seine Worte:


Wie? Ist die Liebe Nichts? Was liebt man denn im Lieben?

Was aber? Alles? Nein. Wer ist vergnügt mit ihr?

Nicht Wasser; sie erglüht die Herzen für und für.

Auch Feuer nicht. Warumb? Was ist für Flammen blieben?

Was denn? Gut? aber sagt! woher kömpt ihr Betrüben?

Denn Böse? Mich dünkts nicht; nichts Solches macht Begier.

Denn Leben? Nein; wer liebt, der stirbt ab seiner Zier,

und wird bei Leben schon den Toten zugeschrieben.[92]

So wird sie Tod denn sein? Nichts minder, als diß eben.

Was tot ist, das bleibt tot. Aus Lieben kommet Leben.

Ich weiß nicht, wer mir sagt, was, wie, wo oder wenn?

Ist nun die Liebe nicht Nichts, Alles, Wasser, Feuer,

Gut, Böse, Leben, Tod: euch frag' ich, neue Freier,

sagt ihr mirs, wenn ihrs wißt: Was ist die Liebe denn?


Ein gut Stücke, sagte Olearius, welches wol weiset, bei was vor einem Meister er in die Schule gangen. Du aber, sprachen sie beide endlich wider mich, must beschließen. Zu Oden, antwortete ich, habe ich besser Glücke als zu anderer Art Versen, will derowegen, weil wir das Stadttor schon sehen können, meine sonst kurze Reime noch kürzer machen:


Wilst du denn vor untergehn

und so wieder auferstehn,

güldnes Auge dieser Welt,

eh' sich dieses Paar gesellt?


Diß Paar, dem der Musen Chor

seine Stimme hebt empor,

dem die Venus und ihr Sohn

zugesagt längst ihren Lohn?


Sieh doch, wie sie bittend stehn

und vor deinem Wagen flehn,

schau doch, wie sie kläglich tun,

daß du sie nicht lässest ruhn!


Nein, du hörest, großes Liecht,

itzt der Kranken Bitte nicht.

Dißmal rufen sie umbsunst,

Gott der Götter, deiner Gunst.


Liebstes Paar, seid unbetrübt,

liebt doch, wie ihr habt geliebt,

seid doch euer, wie ihr seid,

und verschmerzt den Neid der Zeit!


Es ist umb ein Kleines noch,

bis daß euch das süße Joch,

das Joch, das euch ietzt noch drückt,

beiderseits ohn End' erquickt.


Ietzund seh' ich schon den Tag,

daß, eh' Phöbus aufstehn mag,[93]

man euch Beide Frau und Man

ganz mit Ehren nennen kan.


Hiermit giengen wir in die Stadt, und nötigte uns Polus, daß wir die Abendmahlzeit bei ihm nehmen musten. Darbei denn Olearius und Pöhmer ihrer Ankunft und anderer Sachen halben uns Bericht gaben. Ward auch selbiger ganzer Abend mit gelehrten Unterredungen und höflicher Kurzweile bis an die Mitternacht vertrieben, umb welche Zeit wir Abschied nahmen, und auf künftige Hochzeit zusammen zu kommen einander gewisse Zusage täten.

Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 72-94.
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