3. Lob eines Soldaten zu Rosse

[111] Ein frischer Heldenmut ist über alle Schätze,

ist über allen Neid. Er selbst ist sein Gesetze,

sein Mal, sein Sold, sein Preis. Er reißet durch die Zeit,

vergnüget sich durch sich, läßt bei sich Ruh' und Streit[111]

in gleicher Wage stehn. Den adelichen Rittern

wird dieses angeborn. Wenn Andre stehn und zittern,

beseufzen ihren Tod und bitten um Quartier,

so setzen sie den Ruhm auch tausent Leben für,

die man erbitten muß, und doch nur Schande geben.

Sie sterben tugendhaft, wenn sie noch könten leben.

Was ist das für ein Feind, der seinem Feinde fleht?

Ist einer so gesinnt, wenn er zum Treffen geht,

so bleib' er lieber da! Ein redlicher Soldate

darf nicht in Zweifel stehn, ob auch der Sieg gerate.

Den Sieg hat er bei sich, wenn er sich dapfer hält.

Was kann ihm helfen wol das überwunden Geld?

Das er zu geben beut, ist doch schon alles seine.

Er richt' ihn lieber hin, so bleibt sein Eidschwur reine,

und er versichert sich, schlägt er in heute tot,

so darf er morgen nicht für ihm stehn in der Not,

daß er sich rächen wird. Wann will der Krieg sich enden,

wenn er verschonen will und sich zur Gnade wenden,

wenn man soll ernsthaft sein? Vor Alters ging' es nicht.

Es wurden Könige beim Treffen hingericht.

Was gilt hier die Person? Ein Feind hat mit dem Namen

sein Leben schon verbürt. So bleibt er stets bei Samen,

wenn man ihn ab läßt ziehn. Und er gedenkt es doch,

und pfiff' er einmal noch so auf ein lindes Loch.

Es lehrt ihn diß die Not. Wenn er zur Freiheit kömmet,

so sieht und tichtet er, wie er ihm Vorteil nimmet,

nimt aller Sachen wahr, im Fall' daß er vermerkt,

daß sein Verschoner liegt; er sieht, wie er sich stärkt,

vergißt der alten Treu' und seiner guten Worte,

setzt unvermerkt an ihn und fällt ihn an dem Orte,

da man es nicht gedacht. Alsdenn so ists zu spat,

wenn man bereuen will, daß man geschonet hat

und so barmherzig war. Ich hab' es wol erfahren.

Dem Kriege zieh' ich nach nun bei so vielen Jahren,

ich weiß des Krieges Brauch. Ich gebe kein Quartier,

und käm' ein General und König selbst mir für.

Ich achte dessen nicht, daß er von höherm Stamme

als ich geboren ist. Diß eben macht die Flamme,[112]

daß ich mehr siegen will, indem er größer ist

an Ahnen, nicht an Mut. Ein dapfrer Geist erkiest

ihm stets ein Höhers aus, mit dem er möge ringen.

Der Ruhm der wächst mit ihm, daß er aus hohen Dingen

vorhin entsprossen ist. Kein Adel dient vor mich,

diß Schwert das adelt mich. Mein Rittersitz bin ich.

Mein Leib ist mein Palast. Ein Krieger ist vergnüget,

daß er von einem Mahl' ans andre so viel krieget,

als er benötigt ist. Was hilft ihm Land und Gut?

Die Feigen sehn auf diß. Ich zahle bares Blut

vor meine Güter aus. Wem ließ ichs wol zu erben,

solt' etwan heute noch ich vor dem Feinde sterben,

den ich mir wündsche stets? Ich lobe meinen Sinn,

mein Leben lieb' ich nicht. Ein Ander' ziehe hin

und karge, wie er will. Wir kommen leicht zu Gelde

und leichtlich wieder drum. Wir nehmens auf dem Felde

und gebens in der Stadt. Uns ehret Iederman,

und wer nicht will, der muß. Es ist uns untertan

nicht ein Land nur: die Welt, die muß uns Herren heißen,

wenn Herren uneins sind. Wir können uns nicht beißen,

wie alte Mütter tun. Man schlägt mit Fäusten drein,

mit Degen und Pistol, wenn man nicht Freund will sein.

Und das heißt recht geherrscht. Wir sterben, wie wir leben,

frisch, dapfer, ritterlich. Wir sind dem Tod ergeben,

wir wuchern auf das Blut. Das teure Gut, der Tod,

ist keines Ieden Kauf. Uns ist es täglich Brot,

was Andern seltsam ist. Wer wündscht ihm doch zu siechen

und um die Ofenbank erbärmlich her zu kriechen,

wie es zu Hause geht? Es ist um einen Blick,

so fällt uns ein Pistol, ein Degen oder Stück.

Man fühlt nicht, daß man stirbt. Das Feld ist unser Bette,

der Gottesacker auch. Wir leben um die Wette

und sterben auch also. Wer härmet sich darum?

Es sei Hieb oder Stich; wenn wir nur kommen um,

so ist uns wol geschehn. Lob' Einer nun das Seine,

sein Leben, wie es sei: ich lobe stets das Meine.

Du lebest nicht für mich: ich sterbe nicht für dich.

Ein Ander' bleibe sein': ich bleibe so für mich.
[113]

Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 111-114.
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