38. Noch ein anders über eben denselben Tag

[154] 1635 September 8.


Wer uns diß vor gesagt und auf die höchste Wette,

die nimmer mag geschehn, mit uns gestritten hätte,

daß uns die liebe Stadt, ich meine, Revel, dich,

bis auf den schönen Tag solt' halten noch in sich[154]

da man euch, Edle, pflegt mit Wündschen anzubinden,

wir hättens drauf gewagt. Wir sind noch hier zu finden,

gedenken fast nicht weg, begehren nur allein,

daß um euch, schönes Volk, wir lange mögen sein.

Zu Jahre war es nichts, als wir euch halb kaum kauten.

Und gleichwol auf Begehr des edlen Abgesandten,

den ihr für Oheimb ehrt, so bunden wir euch an,

der denn sein Lösegeld hat redlich gut getan.

Der angenehme Tag ward ganz in Lust verschlissen

bei gutem Trank' und Kost. Itzt, ob wir gleich sehn müssen,

daß euch das liebe Dorf für unsre Stadt gefällt

und daß euch Kegel mehr als wir in Ehren hält,

iedennoch wollen wir nicht unterbleiben lassen,

euch in dem Absein auch zu binden gleicher Maaßen,

als wie vorhin beschehn. Und daß ihr ja nicht klagt,

man hab' euch euren Tag nicht redlich angesagt,

so seht: wir kommen selbst mit unserm Angebinde

durch Weile und Verdreuß, durch Regen und durch Winde.

Gebt her die zarte Hand! Sie muß gefangen sein.

Nach diesem wollen wir auch führen einen Reihn

um euch, ihr schönes Kind, und unter solchem Tanze

euch wündschen, daß der Tag mit seinem Glück' und Glanze

euch vielmal so erfreu'. Es kan nicht müglich sein,

daß nicht die Götter selbst den Willen gäben drein.

Sie sind euch alle gut. Wolan! so laßt denn schauen,

wie frölich ihr könnt sein und euer' zwei Jungfrauen!

Vertauschet Gunst mit Lust! Viel Lösens darf es nicht,

nur daß uns heute nichts an süßer Zier gebricht.

Laßt den Tag euer sein und denket hierbeineben,

was man ihm anderweit itzt wird für Ehre geben,

wie man ihn wird begehn! Werd't ihr sein Recht ihm tun,

so sollt ihr allemal ihn sehen gleich wie nun.


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 154-155.
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