41. Von sechs Schwestern auf deroselben Vettern Geburtstag

[157] 1635 November 4.


So bald der vierte Tag des Wintermonats kommen,

so hat man in der Welt auch andre Zeit vernommen.

Der Sonnen güldnes Liecht, das nunmehr ganz und gar

in so viel Wochen nicht gesehen worden war,

goß seine Strahlen aus. Die trüben Wolken liefen,

und ließen eilends nach mit Regen so zu triefen.

Die Lüfte wurden klar. Anstatt daß Sturm und Wind

zu Land und See erschreckt' so manches Mutterkind,

da trat der Westwind ein mit seinem sanften Sausen.

Die Flut der grünen See ließ nach sich so zu krausen.

Es fiel ein sanfter Schnee, und ein gesunder Frost

macht' aus die weiche Zeit, uns eine frische Lust.

Herr Vetter, diese Zier ist euch zur Zier geschehen,

mit der ihr euren Tag gekrönet könnet sehen,[157]

den wir mit euch begehn aus herzlicher Begier.

Sonst ist hier Traurigs nichts, als daß ihr nicht seid hier.

Der allerhöchste Gott, der woll' euch langes Leben

in Glück und Unglück Heil und alle Wolfahrt geben!

Und daß man rühmen mag, wie wol er euch getan,

so bring' er euch allhier bald frisch und glücklich an!

Und daß ihr gleichwol auch in Absein seid gebunden,

so sei euch dieses Band zu Ehren aufgewunden,

das keiner zwar von uns euch itzt anlegen kan;

doch binden wir euch mehr mit unsern Herzen an.

Soll diß dem Höchsten wol nicht gehn zu Herzen-Grunde?

Sechs Schwestern sprechen es zugleich aus einem Munde.


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 157-158.
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