2. H. Dan. Heinsius sein Lateinischer Liebesscherz

[208] 1631.


Mein Lieb das gabe mir, als sie mich gestern liebte,

ein süßes Küsselein, noch süßer als der Wein,

der sonst der süßste heißt. Ich, als sie diß verübte,

entfärbte gänzlich mich. Ich nam ihr Hälselein

und hing mich sehnlich dran. Ich sah in einem Sehen

ihr in ihr Angesicht'; ich sah ihr stetig drein

und hing das Haupt nach ihr. Ach, sprach ich, kans geschehen,

daß du, mein Leben, kanst mir Armen günstig sein?

Worauf sie lachend was von ihrem schönen Munde

aus tiefster Seelen raus, weiß noch nicht, was es war,[208]

mir blies in meinen Mund. Sie bliese mehr zur Stunde,

noch etwas, weiß nicht was, das feucht und laulecht gar.

So bald ich dieses nur befund' in meinem Herzen,

beraubt' es mich der Seel' und aller Sinnen Kraft.

Daher ich, ohne Seel' und ohne mich, mit Schmerzen

lauf' immer hin und her in einer frembden Haft.

Ach Lieb, ich suche mich mit Weinen aller Enden!

Ach! ach! verkäufstu denn so teuer einen Kuß?

Ach! freilich tustu mir die Seel' und Herz entwenden,

nun ich in deiner Seel' und Herzen leben muß.

Ach! wein' ich oder nicht? Was soll ich doch beginnen?

Mit Tränen sie doch nicht erweichet werden kan,

sie nehret sich vielmehr von meinem Thränenrinnen.

Ich will umb einen Kuß sie freundlich sprechen an.

Ich will sie sehen an, ich will fort immer weiden

in ihrem Odem mich, sie in dem meinen sich.

So werd' ich meine Seel' antreffen voller Freuden,

so oft ich ihrer muß begeben gänzlich mich.


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 208-209.
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