3. Aus dem Alziat über die Farben

[209] Die schwarze Farbe steht zu schwarzen Traurigkeiten;

dieselbe brauchen wir, wenn wir den Sarg begleiten.

Weiß zeigt die Sinnen an, die ohne Falschheit sein;

drum sein die weißen Röck' euch Priestern so gemein.

Grün lehrt uns, daß man hofft; sonst pfleget man zu sagen,

die Sache grüne noch, so oft es umgeschlagen.

Gelb ist Begierde voll; sie ist der Bühler'n gut

und denen Hoffnung stets, was sie begehren, tut.

Rot ist Soldaten hold und zeuget frisch Geblüte,

wie an den Knaben auch ein züchtiges Gemüte.

Blau ist der Schiffer Art und die, der Andacht voll,

gen Himmel stetigs sehn, daß sie Gott hören soll.

Das Goldgelb' ist vor Schlecht' und Feuerrot imgleichen;

die Kapuziner sicht man so hereinher schleichen.

Wer Liebeseifer voll und tief in Angst muß gehn,

dem soll das Dunkelrot am allerbesten stehn.

Violbraun zieret den, der in Vergnügen lebet

und, was das Glücke giebt, mit nichten widerstrebet.[209]

Der Sinnen sind so viel', so viel' der Farben sein:

ein ieder liebet das, was er ihm bildet ein.


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 209-210.
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