16. Auf Herrn Heinrich Arninks und Jungfrau Elsgen van Schoten Hochzeit in Revel

[310] 1636.


Venus sah' den Bräutgam sitzen

auf den Spitzen

des gehörnten Helikons,

da man sich vermeint zu sichern

in den Büchern

für den Listen ihres Sohns.


Komm, Kind, sprach sie, laß die Stärke

unsrer Werke

Allen heute werden klar!

Pindus ists, der mich nicht ehret;

dich versehret

der Gelehrten blasse Schaar.


Eilends nam das Kind zusammen

Pfeil' und Flammen,

eilends saß er auf zu ihr;

eilends fuhr er durch die Wiesen

der Odrysen,

edles Thessalis, zu dir.


Alle funden sich am Reien

voller Schreien,

voller Jauchzen, wie man lacht;

Alle sahen sie sich spritzen

aus der Pfützen,

die das Flügelpferd gemacht.


Eh' sich Iemand das versahe,

traten nahe

Venus und ihr Zypripor.

Dürft ihr, sprachen sie, mehr Gäste

zu dem Feste?

Nein! sprach Klio. Das darvor!


Amor bot ihr bald die Spitze

mit dem Flitze,

den er gleich auch schnellte los.[310]

Drauf fällt unser Bräutgam eben

ohne Leben

in der Kräuter grünen Schoß.


Da kam Zynthius, der schöne,

mit Getöne

durch den dicken Dannenwald.

Alle die gesamten Feinde

wurden Freunde,

und der Tote lebte bald.


Mir ists leide, sprach Zythere,

daß ich höre,

daß der Fremde ward verletzt.

Er ist würdig meiner Gnade.

Dieser Schade

soll ihm reichlich sein ersetzt.


Bei den güldnen Karitinnen

ward sie innen

einer menschlichen Gestalt.

Diese, sprach sie, soll ihn herzen

für die Schmerzen,

für die schimpfliche Gewalt.


Erato lief mit Melposen

und brach Rosen

für das neuvermählte Paar,

und die Andern schrien aus Freuden:

Wol sei Beiden!,

daß die Luft voll Tönens war.


Seid erfreut, ihr Hochzeit-Gäste,

auf das Beste!

Paphos und Olymp sind eins.

Unser Bräutgam hat die Beute.

Schont auf heute

keiner Kost und keines Weins!


Die gestirnten Lüfte scherzen.

Tausent Kerzen,

tausent lichter Fackeln stehn.[311]

Diß sind Hymens güldne Boten.

Die von Schoten

soll nun stracks zu Bette gehn!


Schöne Braut, seid ohne Sorgen

für dem Morgen,

der euch euren Namen nimmt!

Um was ihr euch halb betrübet

und doch liebet,

ist uns Allen so bestimmt.


Tröstet nun, dörft ihr euch trauen,

ihr Jungfrauen,

küßt die Braut zum Letzten nun!

Und das Andre, was ihr lasset,

sie nicht hasset,

das soll ihr der Liebste tun.


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 310-312.
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