21. An die Holsteinischen Herren Abgesandten

[358] 1633 October 14.


Nunmehr bricht die Zeit heran,

daß du, Christ, dich einst solst rächen

und dem seine Kräfte brechen,

der dir alles Leid tut an,

der so oft dein Blut gelecket

und mit bloßem Namen schrecket.


Der versöhnte Himmel weist,

wie er wieder wolle segnen,

läßt uns seine Gunst begegnen,

wo uns noch sein Eifer schmeißt.

Was uns itzt noch denkt zu dämpfen,

soll vor unser Leben kämpfen.


Diese Zwei, diß treue Paar,

das die höchsten Häupter lieben

und an ein solch Werk verschrieben,

dem gleich keines wird noch war,

dieses Paar hat Gott versehn

zu dem, was soll bald geschehn.


Das Verhängnüß ist bedacht

dieses lange Kriegeswetter,

das der frommen Rauten Blätter

kaum nicht ganz hat umgebracht,

über ein solch Kraut zu treiben,

das ihm ewig denkt zu bleiben.


Gnug, ihr Brüder, werdet Freund'!

Dortnaus, dort, wo Phöbus zäumet,

wenn uns hier noch süße träumet,

dortnaus, dort ist unser Feind.

Künftig laßt uns wieder holen,

was der Dieb uns abgestolen!


Was ernährn wir unsern Tod?

Laßt uns ihm den Vorteil nehmen

und die starken Nerven lähmen!

Her die Rüstung, Kraut und Lot!

Wachet, wie Soldaten ziemet!

Zeit und Ort wird itzt beniemet.
[358]

Deucht michs oder seh' ichs schon,

wie die lauten Feld-Posaunen

und die donnernden Kartaunen

untermengen ihren Ton,

daß des Bosphors seine Wellen

furchtbar sich als Steine stellen?


Der entfärbte Hellespont

schlingt in sich die blassen Heiden.

Fahnen, Spieße, Schwert und Scheiden

führt der bebende Propont.

Sions Wurzeln, Jebus Spitzen

werden zitternd für uns schwitzen.


Unsre Donow fleußt uns vor,

leitet mit erfreuten Wellen

unsre dapfern Bundsgesellen

bis fast vor des Hundes Tor.

Bizanz, du solst unser heißen,

eh' daß du dich denkst zu schmeißen!


Landsman, Deutscher, tu alsdan,

was du bist an dir gewohnet!

Es gilt hier nicht, daß man schonet.

Itzund hast du deinen Man!

Vor und itzt noch schlägst du, Blinder,

auf dich selbst und deine Kinder.


Diß Schwert, das du itzuod schon

hast auf deinen Freund gezücket,

soll dem, der sich kaum drauf schicket,

geben seinen wahren Lohn.

Das auf dich gegoßne Stücke

soll ihm brechen sein Genicke.


Tut indessen, was ihr tut,

o ihr zwei getreuen Wächter,

bähnt den Weg vor unsre Fechter!

Diß fängt an kein feiges Blut.

Was ihr großen Leute dichtet,

ist, als wär' es schon verrichtet.


Was ist eurem Ruhme gleich?

Ihr seid unbesorgt, das Leben[359]

in fast nahen Tod zu geben

für das heilge Christenreich.

Dieses Lob kan nicht verderben

und läßt ewig euch nicht sterben.


Äol und Neptun stehn hier,

schwören mit gebotnen Händen,

daß sie Alles wollen wenden,

was sich euch will schützen für.

Belt und Bachu sind verbunden,

euch zu liefern alle Stunden.


Das bewohnt' und öde Land

will euch allen Vorschub schaffen.

Ganz kein Tarter soll die Waffen

nehmen wider euch zur Hand.

Euch hat Gott, der vor euch wachet,

auch das Wilde zahm gemachet.


Die gemeine Christenheit

läßt nicht ab für euch zu bitten.

Euch folgt nach auf allen Schritten,

was ihr wollt und sie erfreut.

Es wird euch auf allen Seiten

manch beseufzter Wundsch begleiten.


Zieht, zieht hin, ihr Frommen, ihr!

Gott und Fürsten, die euch schicken,

lassen Alles wol gelücken!

Und stellt euch diß stetig für:

Was der Himmel heißt vollbringen,

wird und soll und muß gelingen!


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 358-360.
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