28. Heimliches Einverständniß

[424] Muß sie gleich sich itzund stellen,

als wär' ich ihr unbekant,

meint drum nicht, ihr Mitgesellen,

daß ihr Sinn sei umgewant.

Ihre Treu' in unsrem Handel,

die weiß ganz von keinem Wandel.


Amor liebet solche Herzen,

die des Mundes Meister sein,

die bei Trauren können scherzen

und erfreuet sein in Pein.

Wer will paßfrei sein im Lieben,

der muß sich im Bergen üben.


Also wenig sie sich hassen

und nicht selber sie sein mag,

also wenig wird sie lassen

den, der sie zu sein stets pflag.

Eins, das sich dem andern giebet,

liebt es, wie sichs selten liebet.


Dennoch hat sie mich im Sinne,

hat sie mich im Auge nicht.

Nicht ists außen, sondern drinne,

was mir ihre Gunst verspricht.

Müssen schon die Lippen schweigen,

sie denkt doch: der bleibt mein eigen.


Recht so, Schwester, laß nicht merken,

was dich heimlich labt und kränkt.

Man verrät sich mit den Werken,

der bleibt sicher, der viel denkt.

Laß sie sagen, was sie wollen,

wir nur wissen, was wir sollen.


Sei dir ähnlich und verbleibe,

die du vor warst und noch bist,

und denk nicht, weil ich nichts schreibe,

daß mein Denken dich vergißt.

So gedenk' ich stetigs deiner,

daß ich auch vergesse meiner.
[424]

Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 424-425.
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