36. Frei und froh

[435] Wil sie nicht, so mag sies lassen,

Zynthie, die stolze die.

Was betrüb' ich mich um sie?

Eins ist mir ihr Huld' und Hassen.

Zynthie sei, wer sie sei,

ich bin froh, daß ich bin frei!


Vorhin tät' ich, wie sie täte.

Lieb' ist Gegenliebe wert.

Itzund, weil sie sich verkehrt,

bin auch ich auf andrer Stette.

Zynthie sei, wer sie sei,

ich bin froh, daß ich bin frei!


Meint sie wol mich zu betrüben

mit dem, was nur ist ein Schein?

Nein. Will sie mir gut nicht sein,

so kan ich auch sie nicht lieben.

Zynthie sei, wer sie sei,

ich bin froh, daß ich bin frei!


Zahlt mir diß nur meine Treue,

meinen unbewegten Sinn?[435]

Doch wer achtets? Immerhin!

Es kömmt doch noch wol zur Reue.

Zynthie sei, wer sie sei,

ich bin froh, daß ich bin frei!


Sie bekömmt wol meines gleichen

und auch ihres gleichen ich.

Weil sie ja verdringet mich,

so will ich ihr gerne weichen.

Zynthie sei, wer sie sei,

ich bin froh, daß ich bin frei!


Sie mag lachen oder klagen

oder etwas anders tun,

mich vergnüget dieses nun,

daß ich kan mit Warheit sagen:

Zynthie sei, wer sie sei,

ich bin froh, daß ich bin frei!


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 435-436.
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