6. Daß Alles eitel sei

[446] Was, sprichst du, ist es wol, darauf du dich bemühst?

Kunst, Ehre, Reichtum, Lust, die Lüften gleich und Güssen

mit uns selbst schießen hin? Ich auch, Freund, bin geflissen

auf eben diesen Sinn, auf den du weislich siehst.


Ich weiß es mehr als wol, daß Alles eitel ist.

Wie aber kömmt es doch, daß wider unser Wissen

wir etwas, das nicht ist, doch schöne heißen müssen,

daß der ein Anders tut, ein Anders ihm erliest?


In Unvollkommenheit vollkommen werden wollen,

das machet unsern Sinn auf Neues so geschwollen,

erfüllet auf den Schein, am leichten Winde schwer,


an vollem Mangel reich. Wer kan von Herzen sagen:

Ich bin vergnügt in mir, weiß weder Lust noch Klagen.

Wie eitel Alles ist, der Mensch ist eitel mehr!


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 446.
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