7. Ich begehre aufgelöst u.s.w

[446] Ach schau, o Himmel doch, wie hart ich bin gebunden,

von deiner Schwester hier, der ungerechten Welt,

die aber nicht bei dir als eine Schwester hält,

indem sie stets verirrt, was du hast wiederfunden.


Sie spannt die Seelen ein, die ledig für dir stunden,

selbst Ursach ihres Jochs. Tritt vor das, was sie stellt,

bis daß der schwache Geist in ihre Stricke fällt.

Da liegt, da zappelt er, durch sich selbst überwunden.


Ich kenn' und kan sie doch, die falsche, nicht verneiden.

Ich fühle meinen Zwang und muß ihn willig leiden,[446]

wo Zwang auch Willen hat. O Heiland mach mich frei!


Ich bin es, der ich mich auch selbsten also binde.

Mach, daß ich los von mir bei dir noch heut empfinde,

was ungebunden sein für eine Freiheit sei!


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 446-447.
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