11. Gehe von mir aus, ich bin ein sündiger Mensch

[448] Sollst du, Allwissender, nicht meinen Zustand wissen?

Mich hat der erste Tod dem andern zugeführt.

Das schöne Bild ist weg, mit dem ich war geziert,

der erste fremde Fall hat mich auch umgerissen,


der Hölle schwere Hand mich tötlich wund geschmissen,

so daß mein schwacher Geist sich weder kennt, noch rührt

aus sich und von sich selbst, ja täglich noch gebiert,

was ich beweinen muß mit starken Tränengüssen.


Wie kömts denn, daß du kömst und kehrest zu mir ein,

o selge Heiligkeit, in mich verdamte Sünde,

o Leben, in den Tod? Ach! daß ich das verstünde!


Doch tu du, was du wilt, ich will dir willig sein.

Sag, Hölle, was du wilst, es ist fürwar erlogen,

die Seligkeit selbselbst ist in mich eingezogen.


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 448.
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