30. Über einen gewissen Ort

[504] Hier, da der kalte Quell aus starken Adern dringet

und durch das stille Tal mit sanften Rauschen trillt,

da beides Ufer ist in Blumen eingehüllt,

da manch' Hamadryas mit mancher Orkas springet,


hier, da die Nachtigal die süßen Lieder singet

durch diesen langen Pusch, der ein gesunder Schild

für Phöbus Eifer ist, da nichts als zahmes Wild

in feister Weide scherzt und um die Bulschaft ringet,


hier, der Ort, dieser ists, da mich das erste Mal

Theophile umfing' und küsset' ohne Zahl.

Hier dieser ists, der Ort, der mich so glückhaft machte.


Für dieses wündsch' ich ihm, daß diese seine Zier,

in der ich meine Lust, die höchste, noch betrachte,

die in und um ihn ist, ihm bleibe für und für.
[504]

Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 504-505.
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