100. Er redet ihre Tränen an

[535] Versieget doch einmal, ihr siedenheisse Tropfen,

die wie das fremde Pech mein Feuer stecket an,

das ohne das für sich kein Wasser löschen kan,

schließt euer' Adern zu und laßt sie sich verstopfen!


Ihr seid der herbe Saft aus Wermut, Gall' und Hopfen,

für meinen Durst erpreßt. Was Labsal hab ich dran?

Hört auf, sonst wird mir noch von euch der Tod getan,

in dem ihr mir erweckt ein solches Herzenklopfen.


Was könnt ihr Anders tun, ihr Schmerzenkinder, ihr,

als daß ihr Schmerzen auch und Pein erweckt in mir,

die wieder von mir aus in eure Brunnen quellen?


O Angsttau, der mein Herz' hat matt und welk gemacht,

ists noch nicht gnung, daß du bisher dich um hast bracht,

wilst du dich, mich und sie in eine Grube fällen?


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 535.
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