Der echte Dichter

[46] (Wie man sich früher ihn dachte)


Ein Dichter, ein echter, der Lyrik betreibt,

Mit einer Köchin ist er beweibt,

Seine Kinder sind schmuddlig und unerzogen,

Kommt der Mietszettelmann, so wird tüchtig gelogen,

Gelogen, gemogelt wird überhaupt viel,

»Fabulieren« ist ja Zweck und Ziel.


Und ist er gekämmt und gewaschen zuzeiten,

So schafft das nur Verlegenheiten,

Und ist er gar ohne Wechsel und Schulden

Und empfängt er pro Zeile 'nen halben Gulden[46]

Oder pendeln ihm Orden am Frack hin und her,

So ist er gar kein Dichter mehr,

Eines echten Dichters eigenste Welt

Ist der Himmel und – ein Zigeunerzelt.


Quelle:
Theodor Fontane: Sämtliche Werke. Bd. 1–25, Band 20, München 1959–1975, S. 46-47.
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