Schloß Eger

[187] Lärmend, im Schloß zu Eger,

Über dem Ungarwein,

Sitzen die Würdenträger

Herzogs Wallenstein:

Tertschka, des Feldherrn Schwager,

Illo und Kinsky dazu,

Ihre Heimat das Lager,

Und die Schlacht ihre Ruh.


Lustig flackern die Kerzen;

Aber der Tertschka spricht:

»Ist mir's Nacht im Herzen

Oder vorm Gesicht?

Diese Lichter leuchten

Wie in dunkler Gruft,

Und die Wände, die feuchten,

Hauchen Grabesluft.«


Feurig funkelt der Unger;

Aber der Kinsky spricht:

»Draußen bei Frost und Hunger

Schüttelte so mich's nicht,

Hielte lieber bei Lützen

Wieder in Qualm und Rauch;

Wolle Gott uns schützen,

Oder – der Teufel auch.«


Illo nur, Herz wie Kehle

Hält er bei Laune sich,

Dicht ist seine Seele

Gegen Hieb und Stich,

Trägt ein Büffelkoller

Wie sein Körper traun,

Lustiger und toller

War er nie zu schaun.[187]


Und vom Trunke heiser

Ruft er jetzt und lacht:

»Das erst ist der Kaiser,

Wer den Kaiser macht;

Eid und Treue brechen,

Taten wir's allein?

Hoch der König der Tschechen,

Herzog Wallenstein!« –


Burg- und Schloßbewohner

Ruhen ... Da sieh, in Stahl,

Buttlersche Dragoner

Dringen in den Saal;

Buttler selbst, im Helme,

Tritt an den Illo: »Sprich,

Seid ihr Schurken und Schelme

Oder gut kaiserlich?! «


Hei, da fahren die Klingen

Wie von selber heraus,

Von dem Pfeifen und Schwingen

Löschen die Lichter aus;

Weiter geht es im Dunkeln,

Nein, im Dunkeln nicht:

Ihrer Augen Funkeln

Gibt das rechte Licht.


Tertschka fällt; daneben

Kinsky mit Fluch und Schwur;

Mehr um Tod wie Leben

Ficht selbst Illo nur,

Schlägt blindhin in Scherben

Schädel und Flaschen jetzt,

Wie ein Eber im Sterben

Noch die Hauer wetzt.


Licht und Fackel kommen,

Geben düstren Schein:[188]

Ineinander verschwommen

Blinken Blut und Wein;

Überall im Saale

Leichen in buntem Gemisch,

Stumm, vor seinem Mahle,

Sitzt der Tod am Tisch.


Buttler aber, wie Wetter,

Donnert jetzt: »Laßt sie ruhn!

Das sind erst die Blätter,

An die Wurzel nun.«

Bald in Schlosses Ferne

Hört man's krachen und schrei'n; –

Schau nicht in die Sterne,

Rette dich, Wallenstein!


Quelle:
Theodor Fontane: Sämtliche Werke. Bd. 1–25, Band 20, München 1959–1975, S. 187-189.
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