JUAN DE LA CRUZ

[74] In einer dunklen nacht

Voll liebesflammen und voll bangem beben

O glückliches geschick

Enteilt ich unbewacht

Da schon mein haus zur ruhe sich begeben.


Im dunkel sicher schritt

Ich die geheime treppe in verkleidung

O glückliches geschick

Im dunkel und verhüllt

Da schon mein haus zur ruhe sich begeben.[75]


In der beglückten nacht

Geheim wo keiner mich erkannte

Noch ich ein ding erspäht ·

Kein leiter und kein licht ·

Nur das was innen mir im herzen brannte.


Dorthin entführt' es mich

So sicher wie durch mittagliche helle

Dorthin wo er mein harrte

Den ich am orte wusste

Wo niemand anders konnte sein.


O nacht die du mich führtest

O nacht mir holder als die morgenröte

O nacht die du vereintest

Den freund mit der geliebten

Den freund in die geliebte eingegangen.


An meiner blumigen brust

Die ich für ihn allein mir rein bewahrte

Da blieb er schlummernd liegen

Und ich liebkoste ihn

Indem der zedernfächer kühlung wehte.[76]


Als schon der dämmerung luft

In seinen haaren spielte

Fasste er mich am hals

Mit der erlauchten hand

Und alle meine sinne standen still.


So blieb ich und vergass mich

Das antlitz zum geliebten neigend ·

Die Welt schwand. Ich versank

Und meine sorgen sanken

Inmitten der lilien begraben.

Quelle:
George, Stefan: Schlussband, Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 18, Berlin 1934, S. 74-77.
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