Der dritte Auftritt.

[363] Atalanta. Doris. Nisus. Menalkas. Corydon.


CORYDON.

Mich aber desto mehr!

Ach Schönste! gieb mir doch ein einzigmal Gehör!

Ist alles denn umsonst? Was fliehest du mich immer?

So hart ist in der Welt kein ander Frauenzimmer.

Du fliehst die Menschlichkeit. Ein unbewohnter Wald[363]

Ist deine ganze Lust und liebster Aufenthalt.

Doch such ich dich allda, und wenn mirs endlich glücket

Daß ich dich irgend seh, und daß du mich erblicket:

So fliehst du, wie ein Hirsch, der seinen Jäger scheut,

Und stürzest mich dadurch in neue Traurigkeit.

Wenn läßt du endlich dich bewegen, und erbitten?

ATALANTA.

Bist du schon wieder da? In Wäldern und in Hütten

Kann ich vor dieser Quaal nicht mehr gesichert seyn.

NISUS.

Warum nicht? Lindre nur des armen Schäfers Pein.

Er hat ein zärtlich Herz und läßt sich bald genügen,

Er wird sich wie ein Schaaf an deine Seite schmiegen:

Irr ich mich, Corydon?

CORYDON.

Ein angenehmer Blick,

Ist alles, was ich bitt, ist mein vollkommnes Glück.

Sie soll mich nur nicht fliehn, mich nur auf grüner Heyden,

Wo sie die Heerden treibt, mit meinen Schafen leiden.

Und das verbeut sie mir!

MENALKAS zur Atalanta.

Ist das nicht eine Noth!

Ich glaube, Corydon ist ärger als der Tod!

Er wird dir wahrlich nicht dadurch das Leben nehmen;

Du machst es gar zu arg, und sollst dich endlich schämen.

Was soll der Eigensinn!

ATALANTA.

Warum verfolgt er mich?

Wen man nicht leiden kann, der bleibe doch für sich.[364]

Er kann ja, wenn er will, bey seinen Hürden bleiben;

Ich weis mir meine Zeit viel besser zu vertreiben!


Zum Corydon.


Wie? hast du nichts zu thun? Geh! fleuch den Müßiggang!

Wer sich zu schaffen macht, dem wird der Tag nicht lang:

Doch wer stets müßig geht, der heckt verliebte Grillen,

Die endlich den Verstand mit lauter Thorheit füllen.

Schäl Stäbe, flicht auch was von Binsen oder Stroh!

Wie hier der Nisus thut; und plage mich nicht so.


Geht ab.


DORIS.

Ich muß nur mit ihr gehn und sie zufrieden sprechen.


Geht ab.


MENALKAS.

Ja, Schönste! such ihr nur den starren Kopf zu brechen:

Ich selber folge nach und will mein Bestes thun.


Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. Herausgegeben von Joachim Birke, Band 2: Sämtliche Dramen, Berlin 1968/1970, S. 363-365.
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