Der sechste Auftritt.

[370] Damon. Nisus.


NISUS.

Du siehst! sie läuft ihm nach! Der Geyer! das läßt schön,

Wenn so die Mädchen selbst nach ihren Schäfern gehn.

Sie liebt ihn ganz gewiß, und kann sich nicht verstellen:

Das Ding gefällt mir wohl! In Fluren, in den Ställen,

Schleicht sie ihm täglich nach; allein der dumme Tropf,

Erkennt sein Glücke nicht, und bleibt ein Sauertopf.

Ich wollte, daß sie mir nur so gewogen würde!

Das Mädchen ist schon gut. Die beste Schäferhürde[370]

Gäb ich mit Freuden drum. Zudem so ist sie reich,

Sprich selber, hab ich recht? Gefiel sie dir nicht gleich?

DAMON.

Du wolltest ja vorhin auch Atalanten lieben?

NISUS.

Ey! da kam ich zu spät. Du hast mich ja vertrieben?

DAMON.

Ach! spotte nur nicht so. Sie weis schon, wer ich bin;

Sie kennt mein ganzes Herz, und ich weis ihren Sinn.

Aus hundert Proben hab ich schon den Schluß gezogen:

Sie sey mir lange schon von Herzensgrund gewogen.

So oft ich sie gegrüßt, bedankte sie sich schön;

Wenn ich sie was gefragt, blieb sie ein wenig stehn;

Wenn ich ihr Blumen gab, so hat sie sie genommen.

Und kurz, ich würde kaum den Tag zum Ende kommen,

Wenn ich dir sagen wollt, aus was für Weis' und Art

Ihr Herze mir bekannt, ihr Sinn entdecket ward.

NISUS.

Ey das ist ausgemacht! Es kann dir gar nicht fehlen!

Du darfst mir ferner nichts von ihrer Huld erzählen.

Ich glaub dir alles schon, und mehr als du begehrt;

Wer hätte das gedacht, daß du sie umgekehrt!

Du grüßest, und sie dankt; du kömmst, sie bleibet stehen;

Sie nimmt die Blumen an? Es muß dir glücklich gehen!

Der Himmel will dir wohl. Du armer Corydon!

Wo Damon sich nur zeigt, trägst du den Korb davon.

DAMON.

Wie? Nisus, scherzest du? doch glaub – – –[371]

NISUS.

Ey! wer wird scherzen?

Was ich dir itzt gesagt, daß geht mir recht von Herzen.

Du hast die Schöne schon. Ein Zweifel fällt mir ein!

Sprich Damon, ists nicht wahr? Du sprichst sie oft allein?

Du küssest Hand und Mund, so oft es dir beliebet?

Und daher weist du es, daß sie dich innigst liebet?

Nicht so?

DAMON.

Wie fragst du das?

NISUS.

Es pfleget so zu gehn.

Denn ein verliebtes Paar thut insgemein sehr schön,

Wenn es beysammen ist, und keinen um sich siehet.

DAMON.

Ich habe mich bey ihr noch nicht darum bemühet.

Was soll die Tändeley?

NISUS.

Allein du liebst sie doch?

DAMON.

Ja freylich!

NISUS.

Und verschiebst das schöne Tändeln noch?

DAMON.

Ich bitte sie nicht drum; sie muß mich selber küssen!

NISUS.

Ja! ja! mich dünkt, da wirst du lange warten müssen!

Dein Glücke scheint mir noch nicht sonderlich gewiß.

Du hast noch viel zu thun, eh du das Hinderniß[372]

Der großen Sprödigkeit in ihrer Brust bezwingest,

Und diese Schäferinn auf deine Seite bringest.

Du trauest dir zu viel!

DAMON.

Und dieß nicht ohne Grund!

NISUS.

Geh, mache nur dein Glück, und thu mirs wieder kund.

Ich glaube, Corydon, mit allen seinen Klagen,

Ist so geschickt als du, ein Herz davon zu tragen.

DAMON.

Was sagst du?

NISUS.

In der That: wer zärtlich liebt und hofft,

Besiegt durch stille Glut die größten Praler oft.

Doch wer zu sicher ist, ist oft leer ausgegangen.

DAMON.

Ich geh, und denk anitzt es ernstlich anzufangen.


Ende des ersten Aufzuges.


Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. Herausgegeben von Joachim Birke, Band 2: Sämtliche Dramen, Berlin 1968/1970, S. 370-373.
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