Sechster Auftritt


[146] Die Vorigen. Frau von Tiefenborn.


FRAU VON TIEFENBORN. Amalie, deine Schwester will dich sprechen. Amalie geht ab. Ihre Dienerin, Herr Hauptmann. Ich wollte anfangs die Ehre Ihres Besuches verbitten: allein da ich von Amalien gehört habe, daß Sie schon unterwegens gewesen, so ist es mir dennoch lieb, daß Sie hier sind. Sie können ein Zeuge bei meinem Testamente sein.

HERR VON WAGEHALS. Ihr Diener, Frau Oberstin. Ja, ja, Sie tun wohl, daß Sie Ihr Haus bestellen. Junge Leute können sterben, und alte Leute müssen sterben.

FRAU VON TIEFENBORN. Nun, das Alter zwingt mich wohl eben nicht dazu!

HERR VON WAGEHALS. Je nun! ja, ja! Alt und alt ist zweierlei. Indessen ist eine Frau von vierzig und mehr Jahren auch nicht jung zu nennen.

FRAU VON TIEFENBORN höhnisch. Die Herren Offizier sind so gewohnt, das Alter ihrer Pferde zu untersuchen; daß sie in den Putzstuben ebenso reden, als ob sie im Stalle wären.

HERR VON WAGEHALS. Nun! nehmen Sie mir's nur nicht übel. Sie wissen ja meine Art: ich nehme kein Blatt vors Maul. Apropos! Frau Oberstin! Wieviel werden Sie der Fräulein Amalie vermachen?

FRAU VON TIEFENBORN erstaunt. Wieviel?

HERR VON WAGEHALS. Ja. Wieviel wohl ohngefähr?

FRAU VON TIEFENBORN. Warum? Wer will das wissen?

HERR VON WAGEHALS. Ich, ich!

FRAU VON TIEFENBORN lächelnd. Das ist artig! und warum?

HERR VON WAGEHALS. Hm! ich möchte es gern wissen!

FRAU VON TIEFENBORN lächelnd. Und ich habe mir allezeit eine Freude gemacht, denen Leuten, die eine Sache recht gern wissen wollen, sie gerade nicht zu sagen. Will es etwa Amalie durch Sie erfahren?

HERR VON WAGEHALS. Nein, das nicht: aber eben um ihretwillen frage ich.

FRAU VON TIEFENBORN verwundernd. Wieso? um ihrentwillen?

HERR VON WAGEHALS. Ja, ich kann's nicht länger verschweigen. Sie hat sich in mich verliebt: sie will mich durchaus haben.[146]

FRAU VON TIEFENBORN erstaunt. Wer? Amalie? will Sie haben?

HERR VON WAGEHALS. Ja, ja! mich, mich!

FRAU VON TIEFENBORN schüttelt voll Erstaunen den Kopf und sieht ihn starr an.

HERR VON WAGEHALS aufgeblasen. Nun! wie sehen Sie mich denn an? Ist das so was Erstaunliches? Sie ist wahrhaftig nicht die erste, die sich in mich verliebt hat, und wird auch nicht die letzte sein.

FRAU VON TIEFENBORN. Die Sache klingt sehr groß. Ich glaube sie nur noch nicht.

HERR VON WAGEHALS. Sie können sie nur glauben. Es ist nicht anders, als ich sage. Sie will mich nun durchaus haben. Ich wollte sie endlich auch wohl nehmen! Die Oberstin verwundert sich über seiner Frechheit. Allein, ich muß wissen, ob sie viel Geld hat: denn das brauche ich.

FRAU VON TIEFENBORN lächelnd. Gewiß! ich weiß nicht, ob ich träume oder wache: Mich dünkt, Amalie ist so erzogen, daß sie auch ohne Geld ihr Glück noch wohl machen kann. Sie ist ein artiges Frauenzimmer.

HERR VON WAGEHALS. Oh! gehorsamer Diener. Ich bin ein Freimäurer und mache mir aus artigen Frauenzimmern soviel als aus den unartigen. Wo Sie Ihrer Muhme nicht viel mitgeben, so mag sie immer ein altes Fräulein werden und verzweifeln: dann begehre ich sie nicht.

FRAU VON TIEFENBORN. Und ich bin eine Frau, die die Freimäurer noch mehr hasset, als sie uns verachten, und würde meine Muhme den Augenblick enterben, wenn sie eine so üble Wahl treffen könnte. Kommen Sie mit, ich will sie in Ihrer Gegenwart drum befragen.


Sie gehen ab.


Ende des vierten Aufzuges.


Quelle:
Deutsche Literatur in Entwicklungsreihen. Reihe Aufklärung. Band 6, Leipzig 1933–1935, S. 146-147.
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