Vierter Auftritt


[153] Fräulein Amalie. Herr von Kreuzweg.


FRÄULEIN AMALIE. Haben Sie sich ein wenig auf diesem Gute umgesehen?

HERR VON KREUZWEG. Ja, ich bin heute fast den ganzen Vormittag herumgegangen.

FRÄULEIN AMALIE. Wie gefällt es Ihnen?

HERR VON KREUZWEG. Es ist ein trefflich Gut; allein es gehört auch ein großes Kapital dazu, dasselbe zu unterhalten: denn teils die weitläuftigen Gebäude, teils der Garten und Tiergarten und die übrigen Zierate erfodern alle große Kosten.

FRÄULEIN AMALIE. Oh, die Frau Muhme wird dafür schon sorgen, daß derjenige, dem sie es vermacht, auch imstande sei, es zu behaupten. Es ist ihr liebstes Gut unter allen, und sie würde sich sehr kränken, wenn es in Verfall geraten sollte.

HERR VON KREUZWEG. Sie hat ihre Neigung wohl angewandt. Das Gut ist sehr schön.

FRÄULEIN AMALIE. Ich wüßte aber niemanden, dem sie es vermachen könnte, als mir; denn mein Bruder ist ein schlechter Wirt, und die Schwester versteht die Haushaltung auf dem Lande nicht. Zu solchem Gute aber gehört eine genaue Aufsicht.

HERR VON KREUZWEG. Das ist gewiß.

FRÄULEIN AMALIE. Der Hauptmann von Wagehals hat mir zwar gestern zu verstehen gegeben, daß er sein Leben gern als ein Wirt dieses Gutes zubringen möchte.

HERR VON KREUZWEG. So!

FRÄULEIN AMALIE ziert sich. Es beneiden ihn viele Kavaliere; allein es hat niemand Ursache, über ihn eifersüchtig zu werden. Er wird zu dem Glücke wohl niemals kommen! Sie seufzet.

HERR VON KREUZWEG. Das Glück wäre allerdings groß für ihn.

FRÄULEIN AMALIE. Glauben Sie das, mein Herr von Kreuzweg?

HERR VON KREUZWEG. Allerdings! ein schönes Gut, ein schönes Fräulein und vielleicht noch ein großes Vermögen dazu, das ist aller Ehren wert.

FRÄULEIN AMALIE. Sie kommen mir doch sehr kaltsinnig gegen diese Güter vor.[153]

HERR VON KREUZWEG. Kaltsinnig? im mindesten nicht: wenn ich mir sonst einige Hoffnung dazu machen könnte.

FRÄULEIN AMALIE schmeichelhaft. Personen, die soviel Verdienste besitzen, die können alles hoffen.

HERR VON KREUZWEG. Dies heißt mir eben alle Hoffnung versagen; denn ich habe gar keine Verdienste oder Vorzüge.

FRÄULEIN AMALIE schmeichelhaft. So kennen an dere Leute Sie besser, als Sie sich selbst kennen.

HERR VON KREUZWEG. Andere Leute sind in diesem Stücke gar zu gütig.

FRÄULEIN AMALIE. Ich habe allemal geglaubt, daß Ihre Gemütsart sich sehr gut auf das Land schickte.

HERR VON KREUZWEG. Ich liebe gleichwohl alle Bequemlichkeiten, die man in der Stadt haben kann; diese aber kosten auf dem Lande viel Geld.

FRÄULEIN AMALIE. Wenn ich an Ihrer Stelle wäre, so würde mir's nichts Schweres sein, Besitzer dieses Gutes und eines großen Vermögens zu werden.

HERR VON KREUZWEG. Das macht, Eure Gnaden würden alle die Geschicklichkeit und Vorzüge besitzen, die mir fehlen.

FRÄULEIN AMALIE freundlich. Sie wollen mich nicht verstehen?

HERR VON KREUZWEG. Wieso, gnädiges Fräulein?

FRÄULEIN AMALIE. Und ich mag mich nicht deutlicher erklären.

HERR VON KREUZWEG. Es wird alles auf das Testament ankommen.

FRÄULEIN AMALIE. So sehe ich wohl, das Geld ist doch ein so beliebtes als notwendiges Übel.


Quelle:
Deutsche Literatur in Entwicklungsreihen. Reihe Aufklärung. Band 6, Leipzig 1933–1935, S. 153-154.
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