Neunter Auftritt


[163] Frau von Tiefenborn. Fräulein Amalie. Fräulein Karoline. Herr Landrat von Ziegendorf. Der Kammerherr von Ziegendorf. Herr von Kaltenbrunn. Herr von Kreuzweg. Dr. Hippokras.

Sie stehen alle auf.


FRAU VON TIEFENBORN zur Amalie. Nun, Fräulein? Den Ausgang des Testaments hättest du dir wohl nicht vermutet?

FRÄULEIN AMALIE sehr betrübt. Ich weiß freilich nicht, womit ich eine so große Ungnade verdienet habe.

FRAU VON TIEFENBORN. Womit? Mit deinem falschen, bösartigen Herzen; mit deiner undankbaren Art, mich hinter meinem Rücken zu schmähen und vor den Augen noch so freundlich zu tun. Bedenke nur alles, was du gegen den Herrn von Ziegendorf gesagt hast, wie du ihn noch für den Doktor Schlagbalsam hieltest, so wirst du dich nicht mehr wundern, warum ich so mit dir verfahre. Indessen steht es noch bei dir, ob du es künftig besser haben willst. Mein Haus soll ferner dein Aufenthalt sein. Ich will dir nichts von allem dem entziehen, was ich bisher auf dich gewandt habe; und wirst du dein Herz bessern, so kann ich vielleicht auch, weil ich noch lebe, meine Wohltaten gegen dich verdoppeln. Nur daß ich dich in den Stand habe setzen müssen, daß dir künftighin mein Leben so lieb sein muß, als dir bisher mein Tod angenehm erschienen.

FRÄULEIN AMALIE geht betrübt hin und küßt ihr die Hand.

FRAU VON TIEFENBORN zum Herrn von Kaltenbrunn. Und du, mein sauberer Herr Neffe, kannst deinen heutigen Abendschmaus immer einstellen. Ich wollte gern die Ehre haben, dich bei meiner Verlöbnis zu sehen, und es wird kein so großes Verbrechen sein, wenn man einmal ein paar Juden zum Narren hat. Ernsthaft. Du hast ja meine bisherigen Wohltaten zu deinem eigenen Verderben übel genug angewandt und meine Güte auf eine recht schändliche Weise gemißbraucht. Anjetzund habe ich dir also zween Vorschläge zu tun. Entweder suche Kriegsdienste. Ich will selbst durch meine guten Freunde dir eine Fähnrichsstelle zu verschaffen suchen. Du darfst dir nur ein Regiment erwählen, wo die meisten Freimäurer drunter sind. Oder räume noch heute abend mein Haus, komme mir nimmermehr wieder vor die Augen, und sage keinem Menschen, daß ich deine Muhme sei.[163]

HERR VON KALTENBRUNN macht einen tiefen Reverenz.

HERR VON KREUZWEG zur Fräulein Karoline. Erlauben Sie mir, mein schönstes Fräulein, daß ich mir anitzt von der Frau Oberstin eine gnädige Einwilligung ausbitten darf, mich durch Dero Besitz glücklich zu machen.

FRÄULEIN KAROLINE lächelnd. Ersparen Sie sich die Mühe, mein Herr von Kreuzweg. Ich habe nur gar zu deutlich gemerkt, daß Ihr Entschluß, um eine von uns beiden zu werben, auf der Freigebigkeit der Frau Muhme beruhet hat. Allein, ich will Ihnen nur meine Eigenliebe verraten. Mich dünkt, ich wäre auch ohne das nicht eben zu verachten gewesen, und damit ich's kurz mache: vorhin war ich Ihnen zu arm, und itzt komme ich mir zu reich gegen Sie vor. Anitzt erfordert ohnedem die Dankbegierde von mir, daß ich meine bisherigen Dienste gegen die Frau Muhme verdoppele, und ich werde gewiß, solange sie lebt, an keine Heirat denken.

FRAU VON TIEFENBORN zum Herrn von Kreuzweg. Ich kann es meiner Muhme nicht verdenken. Es ist nicht gar zu verbindlich gegen das Frauenzimmer, wenn man den Eigennutz so gar sehr merken läßt. Zu allen Anwesenden. Kommen Sie in den Speisesaal. Die Tafel wird fertig sein, und ich will, daß ferner von diesen Verdrießlichkeiten nicht geredet werde und heute alles in meinem Hause vergnügt sei.


Sie gehen alle ab. Nachdem sie alle fort sind, sagt.


HERR VON KALTENBRUNN. Ein Schelm, der einen Bissen frißt!


Ende dieses Lustspiels.


Quelle:
Deutsche Literatur in Entwicklungsreihen. Reihe Aufklärung. Band 6, Leipzig 1933–1935, S. 163-164.
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