[Für Fräulein Therese Uetsch]

[338] Schwarz und gelb, wie ich, du selber,

Fanden wir uns auf der Flucht;

Schwärzer ich, du etwas gelber,

Hast du geschimpft und ich geflucht.


Und so, dem Feind zu großem Schaden,

Bekämpften wir ihn bis aufs Blut;

Er war in Wien, und wir in Baden:

Der Abstand stärkte unsern Mut.


Doch nun, besiegt des Krieges Wehe,

Sind wir von neuem Harm gesucht:

Das Waffenbündnis unsrer Nähe

Begibt sich selber in die Flucht.


Du schwörst zu einer andern Fahne,

Die, heißts, ein Rosenband umflicht;

Allein das Neue, wie ich ahne,

Verdrängt bei dir das Alte nicht.


Gelb sind ja Blätter, welche starben,

Schwarz ist der Tod, der fürchterlich;

Nimm nur getrost der Liebe Farben,

Auch weiß und rot ist kaiserlich.

Quelle:
Franz Grillparzer: Sämtliche Werke. Band 1, München [1960–1965], S. 338.
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