Zu dem Schneider der bald reich wurde. [39] No. 61.

Nach einer andern Erzählung heißt der Mann Herr Hände, den die Bauern wegen seiner Klugheit hassen. Sie schlagen ihn aus Neid den Backofen ein, er trägt aber den Schutt in einem Sack zu einer vornehmen Dame und bittet sie, den Sack ihm aufzuheben, es sey Gewürz, Zimmet, Nägelein und Pfeffer darin. Er kommt dann wieder, ihn abzuholen und verführt ein großes Geschrei, sie habe ihn bestolen, wodurch er ihr 300 Thaler abzwingt. Die Bauern sehen ihn das Geld zählen und fragen, woher er das habe, er sagt von dem Backofenschutt, da schlagen die Bauern all ihre Backöfen ein, tragen den Schutt in die Stadt, kommen aber übel an. Die Bauern wollen ihn aus Rache tödten, er zieht aber seiner Mutter Kleider an, dadurch entgeht er ihnen und seine Mutter wird todt geschlagen. Diese rollt er in einem Faß zu einem Doctor, läßt sie dort ein wenig stehen, kommt wieder und giebt ihm dann Schuld er habe sie getödtet, so erpreßt er von dem Doctor eine Summe Gelds. Er sagt den Bauern, er habe sie für seine todte Mutter bekommen, nun schlagen diese auch ihre Mutter todt. Darauf die Begebenheit mit einem Schäfer, der für ihn sich in die Tonne legt, ersäuft und dem die andern Bauern alle nachspringen.

In dem Märchen vom Bauer Kibitz, welches Büsching S. 296. mittheilt, sind wieder einige Züge verschieden. Kibitz läßt seine Frau von den Bauern todt schlagen, und setzt sie dann mit einem Korb voll Früchte an ein Geländer, wo sie ein Bedienter, dem sie keine Antwort giebt, als er für seine Herrschaft bei ihr einkaufen soll, ins Wasser stürzt; dafür erhält Kibitz den Wagen, worin diese gefahren mit allem Zubehör. – Das Gelderpressen durch bloßes Lärmen gehört auch zu den Listen des Gonella (bei Flögel Gesch. der Hofnarren S.[39] 309). – Den Betrug mit dem Schäfer hat Straparola I. 3. in der Erzählung vom Messire Scrapafigue. – In dem zu Erfurt 1794. gedruckten Volksbuch: Rutschki oder die Bürger zu Quarkenquatsch sind verschiedene Züge aus diesem Märchen benutzt, das Erkaufen des alten Kastens, worin der Liebhaber steckt, durch die Kuhhaut (S. 10.), das Ausstellen der todten Frau: Rutschki gibt ihr Butter in den Schooß und setzt sie auf den Brunnenrand, der Apotheker der ihr abkaufen will, aber keine Antwort bekommt, rüttelt sie und stürzt sie hinunter, und muß dem Rutschki tausend Thaler bezahlen (S. 18. 19.). Der Betrug an dem Schäfer zuletzt, ist wieder ganz verschieden: Rutschki ist zum Tod verurtheilt, und wird in einen Kleiderschrank eingeriegelt, hinaus zu dem Teich getragen, weil er aber zugefroren ist, lassen sie ihn darauf stehen, und wollen erst Aexte holen, um ein Loch ins Eis zu hauen. Wie sie fort sind, hört Rutschki einen Viehhändler vorbei ziehen und ruft: »ich trinke keinen Wein! ich trinke keinen Wein! mich durstet nicht!« der Viehhändler fragt, was er vorhabe, Rutschki läßt sich aufriegeln und erzählt, er sey zum Burgemeister erwählt, das Amt nähm er gern, denn es sey wenig Arbeit und 500 Thl. Besoldung dabei; dagegen die Sitte, daß jeder Burgemeister beim Antritt seines Amts einen Becher mit Burgunder austrinke, wolle er durchhaus nicht mitmachen, er trinke keinen Wein, da hätten sie ihn herausgesetzt, daß er Frost und Durst nach einen feurigen Trank bekommen sollte; es helfte ihnen aber alles nichts, er trinke doch nicht. Der Viehhändler trägt einen Tausch gegen seine Heerde an, er legt sich hinein, Rutschki riegelt zu, die Bauern kommen, hauen ein Loch und lassen den Schrank hinab. Wie sie zurückkommen begegnet ihnen Rutschki mit dem Vieh und sagt, er habe es auf dem Grund gefunden, da sey ein schönes Sommerland. Nun stürzen sie sich alle in das Wasser (S. 22. 23.). – Uebrigens sind die allezeit betrogenen Bauern offenbar mit den Lalenbürgern verwandt.[40]


Quelle:
Jacob und Wilhelm Grimm: Kinder- und Hausmärchen. 2 Bände, Band 1, Berlin 1812/15, S. XXXIX39-XLI41.
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